Von Gregor Schinner
Alles außer ganz nett
Die Zweizylinder sind weiter auf dem Vormarsch. Während Reihen-Twins früher oft als biedere Arbeitsmaschinen galten und sportliche Motorräder durchwegs mit Reihenvierer daherkamen, hat sich das Blatt inzwischen gewandelt. Gerade in der sportlichen Mittelklasse ist das Prinzip der zwei Parallel angeordneten Zylinder – meist mit 270 ° Hubzapfenversatz – inzwischen weit verbreitet. Wohl auch, weil diese Motoren deutlich günstiger zu produzieren sind.
Und wenn jetzt sogar die bisher nur mit 600er und 900er Vierzylindermotoren ausgerüstete Hornet mit einem Twin auf die Jagd geschickt wird, dann darf man auch in Zukunft bei Honda noch schwer mit weiteren Zweizylindermodellen rechnen.
Die Hornet wird von Honda klar als sportliches Nakedbike positioniert. Optisch ein wenig in Richtung Streetfighter getrimmt. Aber nicht extrem, sondern Mainstream-kompatibel. Eine schlanke Taille, kantige Formen, die „Flügel“ am Tank und die Lampenmaske bringen nötige Hornissen-Schärfe. In unschuldigem Weiß wirkt die Hornet tatsächlich etwas unscheinbar, auch weil sie eher klein erscheint, was Sie natürlich nicht ist. Mit einer Sitzhöhe von 795mm sollten Fahrer bis 1,85 m locker Platz finden.
Der Lenker ist für ein Nakedbike eher schmal gehalten, die Sitzposition vorderradorientiert und sportlich. Als Hornet-Fahrer lümmelt man nicht, man attackiert. Die Position der Fußrasten ist für meine ca. 1,82 m ok, deutlich größere Fahrer werden vielleicht auf Dauer mit den Knien Probleme bekommen. Dafür ist für den Straßenbetrieb mehr als ausreichend Schräglagenfreiheit vorhanden.
Für eine lange Reise zu zweit gibt es sicher komfortablere Motorräder, auch der Fahrersitz ist nicht unbedingt bequem. Etwas mehr und härteres Polster wäre schön.
Freudenspender: Der Honda-Twin macht nicht nur oben herum Dampf, sondern bietet auch Power in der Drehzahlmitte. Ein optionaler Quickshifter kostet 299 € Aufpreis.
Vorbei sind die Zeiten, in denen man unter der Sitzbank locker drei Dosen Bier verstauen konnte. Neben das Werkzeug passt höchstens noch eine Schachtel Kippen.
Bekannte Honda-Blinker am ebenso bekannten Ausleger für das EU-konforme Nummernschild. Im Zubehörhandel gibt es kurze Kennzeichenträger für eine standesgemäße Optik.
Kommen wir gleich zum Sahnestück: der 755 ccm große Twin, den Honda auch in der Transalp einsetzt, passt zur Hornet wie die Faust aufs Auge. Mit 92 PS bei 9.500 U/min. drückt er ordentlich Leistung ab, doch es ist vielmehr die Leistungsentfaltung, die überzeugt.
Schon knapp über 2.000 U/min. nimmt der Motor sauber Gas an und liefert auch aus niedrigen Drehzahlen satten Schub. Mehr als 6.000 U/min. braucht es selten, um zügig voranzukommen. Der vehemente Vortrieb reißt auch weiter oben nicht ab. Im Gegenteil, es fühlt sich eher so an, als gäbe es noch eine Schippe obendrauf. Sehr ordentlich, was Honda aus diesem Zweizylinder an Leistung und Drehmoment herauszaubert.
Etwas Aufmerksamkeit erfordert der Antrieb allerdings bei niedrigen Geschwindigkeiten und beim Anfahren. Der Ride-by-Wire Gasgriff reagiert sehr direkt und die Drehzahl schießt schnell in die Höhe, was vor allem beim Anfahren bzw. generell in der Stadt etwas lästig sein kann. Aber das urbane Umfeld ist ohnehin nicht das natürliche Habitat der Honda-Hornisse. Auch die automatische Kaltstarteinrichtung sorgte kurz für Verwirrung, denn statt mit der sonst guten Motorbremswirkung vor der Ampel zügig zu verzögern, rollte die Hornet mit rund 3.000 U/min. trotz komplett geschlossenem Gas weiter ungebremst voran, der Spuk endet jedoch nach rund 500 Meter, wenn der Motor halbwegs warm ist.
Erwähnenswert ist auch, dass die Hornet kein Leisetreter ist. Wer Leistung verlangt, der bekommt ordentlich was auf die Ohren; im Fall der Hornet passt das jedoch besser ins Konzept, als bei der touristischen Transalp. Der Sound ist per se auch nicht unangenehm, der Klangteppich aus Ansaug- und Auspuffgeräuschen bietet durchaus Suchtpotenzial.
Damit die Leistung auch sinnvoll eingesetzt werden kann, bietet die Hornet ein Füllhorn an Einstellmöglichkeiten. Über das 5 Zoll TFT-Display per linker Lenkerarmatur kann der Fahrer aus vier verschiedenen Mappings (Standard, Sport, Rain, User) per leicht erreichbarem Knopf auch während der Fahrt wählen. In jedem Modus sind Leistungsentfaltung, Traktionskontrolle bzw. Wheeliekontrolle sowie Motorbremsmoment definiert, im Modus User kann jedes dieser Parameter in drei Stufen eingestellt werden. Dass die Traktionskontrolle selbst auf niedrigster Stufe blitzschnell reagiert, machte das Anfahren auf einem Schotterparkplatz deutlich. Aus einem flotten Sprint, um schnell in den Verkehr einzufädeln, wurde ein kompletter Rohrkrepierer – das Hinterrad hatte sich gefühlt nicht einmal bewegt.
Informationen in Hülle und Fülle und reichlich Möglichkeiten, das Ganze auf den persönlichen Geschmack einzurichten.
Der Lenker ist eher schmal gehalten, was der Lenkpräzision zugute kommt. Windschutz gibt es auf der Hornet praktisch keinen.
Radial verschraubte Vierkolben-Bremssättel nehmen die 296mm Bremsscheiben in die Zange. Das Ergebnis: Jederzeit sichere Verzögerung und Dosierbarkeit.
Markantes Merkmal an der Front: Das Lampendesign erinnert schon irgendwie an eine Hornisse. Den kleinen Windschild gibt’s übrigens für 112 € im Zubehör.
Am Display selbst lässt sich alles anzeigen, was den Fahrer auch nur ansatzweise interessieren könnte. In der unteren Leiste gibt es vier Infofelder, die sich wiederum vier Mal weiterschalten lassen, somit also 16 Datenfelder, die in beliebiger Reihenfolge platziert werden dürfen. Vom Spritverbrauch über Tripzähler, Datum Uhrzeit usw. ist alles dabei. Die Tacho- und Drehzahlmesseranzeige kann in vier Designs und drei Hintergrundfarben dargestellt werden, da ist sicher für jeden Geschmack etwas dabei. Allerdings ist es empfehlenswert, sich mal etwas Zeit für die Konfiguration zu nehmen, denn sehr intuitiv zu bedienen ist es nicht.
Im Gegensatz zum digitalen Mäusekino gibt die Hornet in Sachen Bedienung keine Rätsel auf. Sehr ordentlich arbeitet die Bremsanlage von Nissin mit einer 295 mm Doppelscheibe am Vorderrad und einer 240 mm Solo-Scheibe hinten. Druckpunkt, Dosierung und Bremswirkung sind perfekt, da hat Nissin aber auch noch nie enttäuscht.
Das beim Fahrwerk in dieser Preisklasse nicht die komplett edle Ware verbaut ist, dürfte klar ein. Die Showa 41 mm Upside-Down Big Piston Vorderradgabel ist leider nicht einstellbar, funktioniert aber sehr gut, solange der Straßenbelag nicht zu derbe ist. Kommen zu viele, tiefere Verwerfungen, wird der Pilot einigermaßen durchgeschüttelt. Ist die Straße dagegen gut ausgebaut, liegt die Hornet sehr satt, gibt dem Fahrer ein gutes Feedback und schafft Vertrauen.
Am hinteren Federbein kann man für den Soziusbetrieb zwar die Vorspannung verändern, aber ein typisches Zwei-Personen Bike ist die Hornet ohnehin nicht. Auch die Fahrersitzbank verleidet eine längere Tour. Sie ist einerseits zu weich und etwas zu dünn, was dafür sorgt, dass vor allem das Hinterteil schneller ermüdet als andere Körperteile.
In Verbindung mit dem agilen Motor, der vorderradorientierten Sitzposition und der handlingfreundlichen Geometrie entwickelt sich die Hornet zum angriffslustigen Insekt. Sie reizt den Fahrer förmlich, immer noch ein wenig mehr Gas zu geben, noch etwas stärker abzuwinkeln, noch später zu bremsen.
Während Suzuki bei seiner GSX-8S auf einen 180er Hinterreifen setzt, belässt es Honda bei einem schmaleren 160er Pneu. Die Hornet dankt es mit überzeugendem Handling.
Mit dem Vierwege-Joystick arbeitet man sich durchs Menü, doch bis die Bedienung sicher gelingt, dauert es ein wenig. Besser im Stand bei einer Tasse Kaffee probieren.
Die Entscheidung, hinten statt eines fetten 180er Hinterreifens auf einen schmaleren 160er Pneu zu setzen, bringt zwar an der Eisdiele keine Punkte, macht sich aber im Winkelwerk bezahlt. Wieselflink geht die vollgetankt 190 kg leichte Hornet ums Eck und erfordert vom Fahrer auch wenig körperlichen Einsatz für sportliches Einlenken und Umlegen, so als wüsste sie schon, was der Fahrer im Schilde führt.
Dazu passt auch die narrensichere und mühelose Bedienung der Hornet. Die Kupplung ist leichtgängig, die Schaltung butterweich und präzise, einen Schaltassistenten gibt es leider nur gegen Aufpreis. Wer nicht permanent im Angriffsmodus unterwegs ist, kommt mit der normalen Schaltung jedoch prima aus.
Während unseres Testzeitraumes pendelte sich der Verbrauch bei 4,3 bis 4,5 Liter je 100 km ein, was in Verbindung mit dem 15,2 Liter Tank immer für 300 + x Kilometer reicht, spätestens dann macht auch der Fahrer gerne mal eine Pause.
In der Regel folgt einem eher euphorischen Fahrbericht ein düsteres letztes Kapitel, welches sich dem Thema Kosten widmet. Nicht so bei der Honda Hornet. Mit einem UVP von 8.190 € bleibt die quirlige Hornisse weit vom fünfstelligen Investment entfernt und liegt damit teilweise sogar deutlich unter den Preisen der direkten Konkurrenten von Yamaha, Kawasaki, Suzuki oder Aprilia, welche sie beim Thema Spitzenleistung locker in die Tasche steckt.
Vier Farben stehen zur Auswahl: Matt Goldfinch Yellow, Matt Iridium Gray Metallic, Pearl Glare White, Graphite Black.
Mit ihrem bärenstarken Motor, dem guten Fahrwerk und der soliden Ausstattung sammelt die Hornet schon in der Basisausstattung reichlich Punkte. Wer noch etwas Geld übrig hat, kann für Preise zwischen 675 € und 876 € in verschiedene Ausstattungspakete investieren, die den Komfort und die Tourentauglichkeit noch verbessern. Der angesprochene Schaltassistent ist für 299 € Aufpreis an Bord.
Fotos: Gregor; Mathias; Honda
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