Im österreichischen Bundesland Vorarlberg liegen insgesamt acht Stauseen. Die drei grössten – der Lünersee, der Silvretta Stausee und der Stausee Kops – lassen sich bei einer schönen Motorradtour an nur einem Tag erkunden. Die einzigartige Berglandschaft, die Seeidylle und viele Kurven lassen das Bikerherz höher schlagen. 

Mitte Juni. Ein kurzer Pässecheck verrät: die meisten Passstraßen sind von Schneemassen des vergangenen Winters befreit und haben in den Alpen zur Überfahrt geöffnet. Ich starte vom Verlagssitz in Staufen in Richtung Arlberg. Mein Ziel ist das Haus Flexen in Stuben am Arlberg – ein mit vier Helmen ausgezeichnetes moho-Hotel und direkt an der Passstraße mit Blick auf die weiter oben liegenden Serpentinen gelegen. Der Flexenpass, der in nächster Nähe liegt und über den ich auch anreise, ist Namespate dieses Top-Motorradhotels.
Willi Mathies, Inhaber des Haus Flexen, empfängt mich herzlich und wir kommen gleich ins Gespräch. Das Motorrad darf in der 100 Meter entfernten Tiefgarage abgestellt werden. Aber erst später: ich möchte gleich nach dem Einchecken noch ein kleine Runde zum Arlbergpass fahren. Mein zugeteiltes Zimmer mit Balkon und Blick auf die Arlberg-Serpentinen ist im typischen vorarlberger Stil mit viel Holz eingerichtet und urgemütlich.
Ich habe noch etwas Zeit bis zum Abendessen – das Haus Flexen bietet Halbpension mit leckerer Hausmannskost – und schwinge mich nochmal in den Sattel. Die Arlberg-Passstraße ist, obwohl es auch den (kostenpflichtigen) Tunnel durch den Berg gibt, relativ stark befahren. Viele LKWs quälen sich bis zur Passhöhe nach oben. Überholen ist nur an wenigen Stellen möglich. An diesem Nachmittag ist an ein flüssiges Durchfahren der Passstraße nicht zu denken. Auf der Passhöhe gibt es wie bei vielen anderen ein paar Souvenir­shops, Restaurants und Kioske. Im Winter ist hier sicherlich mehr los als heute, denn von hier aus bringt die St. Christophbahn die Skifahrer in ein riesiges Skigebiet.
Bei einem kühlen Apfelspritzer (Apfelsaftschorle) und einem kleinen Snack genieße ich eine Weile hier oben auf 1.800 Metern die Atmosphäre bei angenehmen 25 Grad.
Wieder im Haus Flexen angekommen gönne ich mir ein kühles Blondes auf der Sonnenterrasse. Gegen Abend wird es aber dann doch ganz schön frisch. Das Abendessen wird aus diesem Grund dann doch lieber in Willis Pub und Restaurant serviert.

Fallert Achern Team

Auf dem Arlbergpass bietet sich ein Stopp an: Kioske, Restaurants und Souvenirshops gibt es reichlich.

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Fantastischer Ausblick bei der Auffahrt zum Arlbergpass.

Am nächsten Morgen starte ich nach einem ausgiebigen Frühstück vom Buffet die geplante Dreistauseentour. Rund 210 Kilometer mit wahrscheinlich mehreren Fotostopps liegen vor mir. Laut Calimoto beträgt die reine Fahrtzeit 3 Stunden und 45 Minuten. Der Calimoto-Kurvenindikator weist 101 auf – also Kurven satt bei bestem Motorradwetter.
Ich starte wieder Richtung Arlbergpass und halte schon nach wenigen Kilometern an. Bei einem kleinen Kiosk bietet sich ein fantastischer Blick ins Tal. Ein weiteres Mal erreiche die Passöhe. Heute ist es etwas frischer hier oben, ich bin allerdings auch etwas früher dran. Ich befinde mich jetzt im Bundesland Tirol. Mein nächstes Ziel ist Landeck. Kurz vor Landeck biege ich fast 180 Grad wieder Richtung Vorarlberg ab. Eine etwa 10 Kilometer lange, kleine Landstraße ist so gut wie nicht befahren. Trotzdem muss ich nach scharfen, nicht gut einsehbaren Kurven immer mit landwirtschaftlichen Fahrzeugen rechnen. Auf dieser Strecke ist also besondere Vorsicht geboten. Über diese kleine Landstraße, vorbei an Perfuchsberg und Tobadill erreiche ich die Bundesstraße 188, auch Silvrettastraße genannt. An der Einmündung zur dieser Straße bietet sich ein sehr schöner Blick auf die Burg Wiesberg und die Trisannabrücke. Diese Eisenbahnbrücke wurde 1886 erbaut und gilt als technische Meisterleistung des 19. Jahrhunderts. Über dieses Kunstbauwerk fährt heute noch die Arlbergbahn. Ich lege eine kurze Pause ein und warte auf einen Zug, der über die Brücke fährt, damit die Idylle perfekt ist.
Die Burg Wiesberg wurde wahrscheinlich im 13. Jahrhundert erbaut, befindet sich heute in Privatbesitz und kann nicht besichtigt werden.
Auf der Silvrettastraße fahre ich ein paar Kilometer Richtung Westen. Bei Holdernach biege ich scharf rechts ab. Alternativ könnte ich auch weiter der Silvrettastraße folgen, möchte aber diese kleine Straße, die nicht breiter ist als ein Wirtschaftsweg  fahren, denn hier gibt es garantiert tolle Ausblicke ins Trisannatal. So ist es dann auch. Besondere Vorsicht ist auch hier geboten: es kann schon vorkommen, dass nach einer Kurve Nutztiere oder Zugmaschinen die Fahrt verlangsamen. Auf der ein oder anderen Almwiese wird schon eifrig Heu geerntet. Erst bei Kappl wird die Straße etwas breiter. Ab hier reihen sich Ferienwohnungen und Apartmenthäuser aneinander. Bei Ulmich erreiche ich nach einer Spitzkehre wieder die Silvrettastraße.

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Steil und kurvig geht es zwischen Landeck und Tobadill entlang.

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Die Trisannabrücke führt über den gleichnamigen Fluss. Rechts davon die im Privatbesitz befindliche Burg Wiesberg.

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Blick von Langesthei ins Trisannatal. Wenig Verkehr, viele Kurven – zügig fahren ist aber trotzdem nicht. 

Durch das in der Coronazeit in die Schlagzeilen geratene Ischgl fahre ich Richtung  Galtür, das Jahrzehnte zuvor ebenso in die Schlagzeilen geriet. Die Brandkatastrophe der Gletscherbahn Kaprun 2 am 11. November 2000 forderte 155 Menschenleben und ist noch heute im Gedächtnis vieler Menschen.
Ein paar Kilometer vor Galtür entdecke ich in Tschafein ein längliches Bauwerk und frage mich, was das wohl sein mag. Zeit, sich das näher anzusehen. Es stellt sich als eine Lawinenschutzmauer heraus. Direkt dahinter und im Schutz der Mauer liegt das kleine Dorf Tschafein. Wenn ich mir den steilen Hang hinter Tschafein so anschaue, macht das sicherlich Sinn, eine derartige Schutzmauer aufzustellen.
Kurz hinter Galtür biege ich rechts ab auf die Zeinisjochstraße. Der erste große Stausee wartet: der Kopssee, mit einem Quadratkilometer drittgrößter Stausee in Vorarlberg. Etwas unspektakulär ist die Anfahrt, die Aussicht auf den See ist allerdings wunderschön. Sattgrün glitzert das Wasser in der Sonne. Am nordöstlich gelegenen Zeinissee gibt es einen Campingplatz und einen Alpengasthof. Der Campingplatz ist der höchstgelegene Sommercampingplatz Österreichs. Er liegt auf 1.820 Meter!
An der Staumauer des Kopssees befindet sich ein großer Parkplatz und die Restauration Kopssee Stüberl. Ich halte mich hier oben nicht allzulange auf, es ist ganz schön kalt und die Bielerhöhe zieht mich schon magisch an.

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Eine Schutzmauer soll das Dorf Tschafein im Winter vor Lawinen schützen.

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Der Stausee Kops oberhalb von Galtür liegt auf 1.820 Meter.

Wieder auf der Silvrettastraße angekommen kommt auch schon gleich die Mautstelle Galtür. Die Auf- und Abfahrt zur Bielerhöhe und zum Silvretta-Stausee kostet für mich und mein Motorrad 14 Euro. Mit dabei ist ein kleiner „Beweisaufkleber“, den ich mir gleich auf die Packtasche klebe. Auf der gesamten Strecke von Mautstelle Galtür bis Mautstelle Partenen gilt Tempo 60. Das hat einen großen Vorteil: man fährt gemütlich nach oben und genießt dabei einfach die einzigartige Landschaft. Entschleunigung pur! Mit Erreichen des Silvretta Stausees bin ich auch gleichzeitig wieder in Vorarlberg. Der Silvretta Stausee ist mit 1,31 Quadratkilometern der flächenmäßig zweitgrößte Stausee in Vorarlberg. Das Fassungsvermögen liegt mit 38,6 Mio. Kubikmetern noch unterhalb des vorhin besuchten Kopssees (42,9 Mio Kubikmeter). Kaum am See angekommen ziehen ein paar Wolken auf, die die Lufttemperatur gleich erheblich nach unten drücken. Das Außen-Thermometer am Motorrad zeigt 19 Grad. Am großen Parkplatz entlang einer ellenlangen Steinmauer parke ich mein Motorrad. Es ist ein stetiges Kommen und Gehen hier oben. Manche halten nur kurz an, machen zwei, drei Handyfotos oder Selfies und fahren gleich weiter. Andere gönnen sich eine längere Pause – so wie ich. Viel zu schön hier oben, um nur kurz anzuhalten. Vom Ufer aus kann man direkt bis ans Wasser gehen. Auf der Suche nach einem geeigneten Panoramablick gehe ich fünfzig Meter nach oben. Vor dem Berggasthof Piz Buin werde ich fündig und mache ein paar schöne Erinnerungsfotos.
Vierhundert Meter weiter am westlichen Ufer des Stausee befindet sich die mächtige Staumauer. Solche Bauwerke beeindrucken mich immer wieder aufs Neue. Von der Terrasse des Restaurants Silvrettasee habe ich einen herrlichen, weiten Blick auf den Stausee. Ein kleines Mitbringsel kaufe ich im Souvenirshop. Fünfzig Meter entfernt vom Restaurant befindet sich einen Aussichtsplattform. Sie gewährt einen grandiosen Blick ins Tal. Auf der Aussichtsplattform wurde eine stilisierte Europakarte aus Edelstahl installliert. Sehr gewöhnungsbedürftig und verwirrend wie ich finde. Ich brauche eine kleine Weile, um mich auf der „Karte“ zurechtzufinden.
Hier oben gibt es noch einiges zu entdecken, wie zum Beispiel der Silvretta Lichttunnel oder der Wasserfall. Die Zeit ist aber schon etwas fortgeschritten. Ich mache mich an die Abfahrt, vorbei an einem weiteren Stausee, dem Vermuntsee.

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Die Silvretta Hochalpenstraße in Richtung Partenen.

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I survived Silvretta Hochalpenstraße. 14 Euro kostet die Auf- und Abfahrt zur Bielerhöhe.

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Der Silvretta Stausee, ein Hotspot in Sachen Stausee in Österreich. 

Kurvig auf einwandfreiem Asphalt erreiche ich Partenen. Von dort fahre ich am Stück durch bis Bludenz. In Bludenz folge ich den
Wegweisern nach Brand, um zum Lünersee zu kommen, dem größten Stausee in Vorarlberg (Fläche 1,55 km2, Fassungsvvermögen 78,3 Mio. m3). Von Bludenz ist die Strecke zur Talstation Lünersee rund 20 Kilometer lang. Talstation deswegen, da der Lünsersee nicht mit dem Motorrad oder Auto zu erreichen ist. Die sanft geschwungene Straße verläuft durch eine saftige, moorige Landschaft. An der Talstation angekommen geht es auch nicht mehr weiter – Sackgasse.
Eine steile Seilbahn führt mich direkt an die Staumauer. Die Berg- und Talfahrt kostet 21,50 Euro. Nicht gerade günstig, aber der Ausblick oben ist fantastisch. Nicht umsonst wurde der Lünersee 2019 vom ORF zum schönsten Platz Österreichs gekürt. Der Lünersee ist ein gebührender Abschluss meiner Dreistauseentour.

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Eine steile Seilbahn führt hinauf zum Lünersee.

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Der Lünersee ist der größte Stausee Vorarlbergs und wurde 2019 vom ORF zum schönsten Platz Österreichs gekürt. 

Am späten Nachmittag komme ich mit vielen Eindrücken und einer gut gefüllten Speicherkarte wieder im Haus Flexen an. Das Prädikat dieser Tour: besonders wertvoll. Übrigens, in Vorarlberg und in den von mir gefahrenen Teilen Tirols gilt die Dezibel-Beschränkung von 95 dB nicht. Trotzdem oder gerade deswegen und dass das auch in Zukunft so bleibt, sollte man nicht unnötig am Kabel ziehen.

Fakten zur Tour

Länge: 210 Kilometer
Kalkulierte Fahrtzeit ohne Pausen und Besichtigungen: knapp 4 Stunden
Calimoto-Kurvenlevel: 101
Tankstellen-Infrastruktur: Sehr gut
Kioske und/oder Wirtshäuser: gibt es quasi an jedem Touristen-Hotspot
Anzahl Stauseen: 3 + 1 (Vermuntsee)
Empfohlene Reisezeit: Mitte Juni – Mitte September

Fotos: Guido Schmidt 

Über den AUTOR

Guido Schmidt

Inhaber und Verleger des bmm.
Fährt privat eine Honda CB 1100 RS und eine Triumph Rocket 3.
Schreibt überwiegend Reiseberichte, über Regionales, Veranstaltungen und Produkttests.

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