Von Gregor Schinner, zweirad-online.de

UNABWÜRGBAR.

Nachdem Honda über 10 Jahre lang konkurrenzlos den Markt mit Automatik-Motorrädern versorgte, scheinen sich nun auch viele andere Hersteller des Themas anzunehmen. Nach BMW mit dem ASA ziehen jetzt auch Yamaha („Y-AMT“) und KTM („AMT“) mit eigenen Systemen nach, bei Honda selbst präsentierte man unlängst für kleinere Modelle eine automatisierte Kupplung. Wir durften eine BMW R1300 GS Trophy mit ASA der BMW Niederlassung Nürnberg testen und die Möglichkeiten des automatisierten Schaltassistenten auf die Probe stellen.
Während bei Hondas DCT eine Doppelkupplung für die reibungslosen Schaltabläufe sorgt, wählte man bei BMW mit dem ASA genannten System („Automatisierter Schaltassistent“) einen anderen Weg: Zwei elektronisch geregelte elektromechanische Aktuatoren betätigen die Kupplung sowie die Schaltung und ermöglichen damit einfaches Anfahren sowie automatisierte Schaltvorgänge. Der Schaltwunsch des Fahrers wird über einen Schalthebelsensor, der vom konventionellen Fußschalthebel betätigt wird, an die Steuerung übermittelt. Zusätzliche Sensoren ermitteln die Drehzahl der Getriebeeingangswelle sowie der Kupplungsposition.
Diese Werte werden an das eng mit der Motorsteuerung vernetzte TCU-Steuergerät (Transmission Control Unit) zur Modellierung und Regelung der Kupplung, der Regelung der Schaltungsaktuierung sowie der Zustandssteuerung übermittelt. Die Kupplung wird über einen elektromechanischen Aktuator in Kombination mit einem Hydrauliksystem mit direkter hydraulischer Verbindung zwischen Kupplungsgeber- und Nehmerzylinder betätigt. Der Aktuator regelt den erforderlichen Kupplungsschlupf, betätigt die Kupplung bei Schaltvorgängen und öffnet sie beim Anhalten. Soweit zum drögen technischen Hintergrund.
In der Praxis funktioniert alles viel einfacher als es klingt – sofern man sich das Startprozedere verinnerlicht hat. Ist die Zündung aus, bewegt sich die BMW keinen cm, denn das Getriebe ist dann verriegelt bzw. ein Gang eingelegt. Zum Rangieren muss die Zündung per Knopfdruck aktiviert werden. Nun kann bei gezogener Vorderradbremse entweder durch kurzen Druck auf den Anlasser-Schalter oder den Ganghebel der Leerlauf eingelegt werden.
Mit weiterhin gezogener Handbremse wird der Motor gestartet und per Druck auf den Schalthebel das Getriebe in Bereitschaft gebracht. Der erste Gang ist nun eingelegt und die GS abfahrbereit. Nach einem ersten zaghaften Dreh am Gasgriff setzt sich die GS sanft in Bewegung und rollt los… schaltet aber nicht? Ah, zum Start ist immer der manuelle Modus („M“) eingelegt, er lässt sich aber mit dem kleinen Schalter an der linken Spiegelbefestigung auf „D“ wie Drive umschalten. Die ersten Schaltvorgänge sind noch etwas hölzern, aber wohl mehr dem Umstand geschuldet, dass die GS noch komplett kalt ist.

Moto Guzzi Stelvio alt und neu

Am linken Lenkerende fehlen der Kupplungshebel und die Schaltwippen, …

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… dafür bleibt der Schalthebel für das gewohnte Schalten mit dem Fuß. 

Es bezweifelt niemand, dass BMW eine funktionierende Automatik für ein Motorrad bauen kann, aber ist das System in der Lage, auch kritische BMW Kunden zu überzeugen, wie es Honda mit dem DCT gelang? So viel vorweg, das ASA bringt alles mit, um das Motorradfahren einfacher und komfortabler zu machen, ohne den mitunter sportlichen Aspekt nachhaltig zu verwässern. Dabei ist es allerdings wichtig, den Automatik-Modus und den manuellen Modus getrennt zu betrachten: Im D-Modus darf sich der Fahrer komplett auf das Gasgeben konzentrieren, alle Kupplungs- und Schaltarbeit wird ihm abgenommen. Die intelligente Automatik versucht dabei zu erahnen, was der Fahrer im Schilde führt, und zieht zur Entscheidungshilfe über den nächsten Schaltvorgang eine Fülle an Informationen von den verschiedensten verbauten Sensoren hinzu. 

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Das „P“ steht in Display für Parken. In dieser Position bewegt sich die GS, auch wenn die Zündung aus ist, keinen Milimeter. Zum Rangieren muss auf „N“ geschaltet werden.

Das Ergebnis ist fast immer stimmig. Natürlich kann das System nur bedingt in den Kopf des Fahrers sehen und auch den Verkehr nicht erfassen. So kommt schon mal ein Schaltvorgang Sekundenbruchteile bevor dem Fahrer einfällt, er möchte jetzt gerade spontan zum Überholvorgang ansetzen. Oder das System wartet mit dem Hochschalten noch, weil es erwartet, der Fahrer würde weiter beschleunigen. Der hat aber gerade eine andere Idee.
Aber das sind die Probleme, die man auch aus dem PKW kennt und beim dynamischeren Motorradfahren noch eher eine Rolle spielen. Doch gerade, wenn man sich beim Fahren eingegrooved hat und nicht auf der letzten Rille fährt, bzw. wenn die Konzentration zum Ende der Tagestour etwas nachlässt, ist der D-Modus ein verlässlicher Begleiter. Die Schaltrucke fallen dabei grundsätzlich ähnlich aus, wie es auch mit einem klassischen Schaltgetriebe zu erwarten wäre, sind aber auch stark davon abhängig, wie der Fahrer mit dem Gasgriff umgeht. Auch lässt sich die Automatik in schwierigen Situationen nicht in Verlegenheit bringen. Anfahren am Berg mit 12% Steigung? Fuß auf die Bremse, Gas geben – überhaupt kein Problem. Im 6. Gang mit 60 an die Ampel und Vollbremsung? Klack, klack, klack… Die GS steht sofort wieder im ersten Gang bereit. Die Charakteristik der Schaltarbeit lässt sich über die Wahl des Fahrmodi zusätzlich beeinflussen.
In den Modi „Enduro“ und „Rain“ wird früh hochgeschaltet, Road ist für den Alltag die wohl beste Wahl und für dynamisches Fahren logischerweise „Dynamic“. Hier werden die Gänge am weitesten ausgedreht und das Hochschalten am längsten hinausgezögert. Dazu lässt sich hier mit einem spontanen Dreh am Gasgriff der Kickdown, also das schnelle Herunterschalten z.B. für einen Überholvorgang provozieren.
Ideal für sportliches Fahren, aber nervig, wenn man es nicht eilig hat oder durch eine Ortschaft bummelt. Die Transmission Control Unit ist auch schlau genug, in großer Schräglage – z.B. in einem Kreisverkehr – nicht zu schalten. Natürlich kann auch im D-Modus jederzeit über den Schalthebel manuell in den Automatikmodus eingegriffen werden, das Getriebe schaltet dann in den gewünschten Gang und wechselt nach etwa fünf Sekunden zurück in die automatische Steuerung, sofern der Fahrer keine neuen Schaltbefehle erteilt.
Wer sich nach wie vor nicht von einer Automatik bevormunden lassen will, der wählt den manuellen Modus, der sich im Wesentlichen wie ein Quickshifter oder, um im BMW-Sprech zu bleiben, wie ein Schaltassistent Pro bedienen lässt. Mal abgesehen davon, dass man natürlich gar keine Kupplung mehr betätigen muss, wird ausschließlich über den Schalthebel die Gangsteuerung betätigt, was wesentlich intuitiver ist, als eine Schaltwippe am Lenker, die es beim ASA gar nicht erst gibt. Die Gangwechsel erfolgen auch hier spontan und fast noch ein wenig geschmeidiger, was aber vermutlich ein Trugschluss ist, weil man den leichten Schaltruck beim selbst schalten ja erwartet. Vorteil gegenüber dem Quickshifter: Es geht immer und bei jeder Geschwindigkeit geschmeidig, es muss nicht gegen einen Widerstand geschaltet werden, und es funktioniert nach oben und nach unten gleichermaßen gut.Eine S1000RR wird wahrscheinlich auch in Zukunft ausschließlich mit dem Schaltassistent Pro geliefert, denn bei rein (super)sportlicher Fahrweise ist der Quickshifter vermutlich schneller und arbeitet mit weniger Zugkraftunterbrechung. Doch was den Komfort angeht, ist das ASA deutlich überlegen – je gemütlicher man fährt, umso mehr. Insgesamt macht der manuelle Modus bei ambitionierter Fahrt mehr Spaß als der D-Modus, denn er kommt dem Motorradfahren ohne Schalthilfe am nächsten, weil man seine Schaltpunkte setzen kann, wie man möchte, lediglich die Kupplungsarbeit entfällt. Selbstverständlich lässt das Getriebe auch im manuellen Modus keinen groben Unfug zu.
Im sechsten Gang kann man ungefähr bis 60 km/h das Tempo drosseln und wieder Gas geben, wobei sich der Boxer bei etwa 1500 U/min. zwar rüttelt und schüttelt, aber dennoch tapfer beschleunigt, bei weiterer Verzögerung würde die Automatik dennoch den Gangwechsel einleiten. Auch ein Herunterschalten, wenn man schon kurz vor dem Begrenzer ist, verhindert die schlaue Regelung.
Bei aller Euphorie über das ASA sollte man aber nicht unerwähnt lassen, dass das System an ein überragendes Triebwerk gekoppelt ist. Der exakt 1300 ccm große, 145 PS starke und 149 NM Drehmoment liefernde Boxermotor macht sehr oft die Schaltarbeit einfach überflüssig. In der Kombination automatischer D-Modus und „Road“-Mapping reitet die GS im sechsten Gang auf der breiten Drehmomentwelle und macht das Getriebe nahezu arbeitslos.
Als Fazit darf man festhalten, dass BMW mit dem ASA ein nahezu perfektes Automatik-Debüt gelungen ist. Sowohl automatischer D-Modus als auch die manuelle Betätigung können überzeugen und lassen dem Fahrer letztendlich die Wahl, wie weit er noch selbst ins Geschehen eingreifen will. Wer seine GS mit dem ASA ausstatten will, muss zwingend das Dynamik-Paket ordern, welches mit dem Schaltassistent Pro bereits 1.660.- € kostet. Wird stattdessen das ASA ausgewählt, steigt der Paketpreis auf 2.025 €.

Fotos: Gregor Schinner