RETROVOLUTION

Revolution oder Evolution? Eigentlich trifft auf die Retromodelle von Kawasaki beides zu: die Z 900 RS sprang 2018 auf den Retrozug auf, ihre kleine Vintage-Schwester Z 650 RS steht seit Februar dieses Jahres bei den Händlern. Grund genug für die Kawasaki-Kreativköpfe, die beiden Begriffe Revolution und Evolution zu vereinen: Retrovolution. An zwei schönen Frühlingstagen steht mir die Z 650 RS für eine Testfahrt bereit; Hänsle Motorradsport aus Ettenheim-Altdorf hat mir das quirlige Motorrad freundlicherweise zur Verfügung gestellt. Die Ur-Z 650 geriet Ende der Siebzigerjahre ein wenig in den Schatten ihrer großen 1000er-Schwester. Trotzdem ließ sie sich gut verkaufen, denn ihre Agilität und Leichtfüßigkeit machte sie zusammen mit vergleichsweise geringem Gewicht (rund 220 kg vollgetankt) zu einer echten Big-Bike-Alternative. Damals noch mit einem 647-Kubik Vierzylindermotor befeuert, war die Z 650 kein Drehmomentwunder. Wer auf kurvenreichen Strecken unterwegs war, durfte keine Angst vor hohen Drehzahlen haben und dem Schaltfuß keine unnötigen Pausen gönnen. Wieselflink durchs Kurvengeschlängel – das kann die runderneuerte Z 650 RS heute genauso perfekt. Der damalige Reihenvierzylinder wich einem flüssigkeitsgekühlten Parallel Twin, wie er auch bei den aktuellen Kawa-Modellen Z 650 und Ninja 650 zum Einsatz kommt.  Mit 68 PS bei 8.000 Umdrehungen und 64 Nm Drehmoment bei 6.700 U/min ist die Junior-Z völlig ausreichend motorisiert. Auch Besitzer des Führerscheins A2 können mit ihr auf der Retrowelle mitschwimmen: Die Drosselung auf 48 PS ist möglich. Das Designer-Team bei Kawasaki hat bei der neuen Z 650 RS ganze Arbeit geleistet und wie schon bei der großen Schwester Z 900 RS mit viel Spürsinn die schwierige Aufgabe gelöst, eine gelungene Mischung aus zeitgemäßer Technik und klassischem Look zu realisieren. Das Ergebnis kann sich absolut sehen lassen; viele gelungene Parallelen zu den Ur-Z-Modellen sind sehr schön zu erkennen. Allein das analoge Doppelrundinstrument begeistert mich im Zeitalter seelenloser TFT-Mäusekinos ungemein. Das ist Retro-Styling vom Feinsten, bei dessen Anblick gerade die etwas Älteren unter uns Erinnerungen an die Ur-Z650 abrufen. Natürlich sind auch der Entenbürzel und die ausgeformten Seitendeckel eine gelungene Hommage an das Ur-Modell von 1977. 

Fallert Achern Team

Rundinstrumente nach Retroart.

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Die superbequeme Sitzbank kann man auch gut mit Sozia oder Sozius teilen.

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Auf dem neuesten Stand der Technik: Die LED-Leuchtkörper.

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Technisch ist die Z 650 RS dagegen voll auf der Höhe der Zeit. Zum Beispiel mit der leicht zu betätigenden Anti-Hopping-Kupplung, die beim hektischen Herunterschalten das unangenehme Stempeln des Hinterrades verhindert und die Gangwechsel butterweich macht. Für mich (1,86 m Körperhöhe) ist die Kawa mit ihrer Seriensitzbank in 820 mm Höhe nicht zu hoch. Kleinere Menschen greifen zum optionalen Sitzpolster und sitzen dann oft entscheidende 20 mm tiefer.  Zwei Bremsscheiben mit 300 mm Durchmesser sorgen zusammen mit den Doppelkolbenbremssätteln für eher üppige Verzögerungswerte in dieser Leistungsklasse. Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt: Im Hinterrad unterstützt ein Einkolben-Bremssattel und eine Scheibe mit 220 mm Durchmesser. Das bis auf die Federvorspannung des horizontal ausgerichtetes Back-Link-Federbeins nicht einstellbare Fahrwerk ist in seiner Abstimmung artgerecht gelungen; die Telegabel mit 41 mm Standrohrdurchmesser hält die Maschine in jeder Fahrsituation sicher in der Spur. Im Ernstfall greift das Bosch-ABS zielsicher. Der runde mit einem Chromring versehene Scheinwerfer (Retro lässt grüßen!) liefert dank LED-Technik fette Lichtausbeute, falls es doch mal etwas später würde. Darüber thronen die beiden zeitlos schönen Analog-Rund-instrumente. Wären nicht nur deren obere Ringe, sondern auch die Becher verchromt – würde spätestens jetzt der retroaffine Betrachter mit den Tränen kämpfen. Durchschnitten werden die beiden Rundinstrumente durch ein dezentes digitales Infopanel, das neben Tank-, Richtungs- und Ganganzeige weitere Infos anzeigt. Mir persönlich reichten die drei erstgenannten Infos völlig aus. Wer mag, kann hier aber auch schnell die gewünschten Infos wie Tageskilometer, Reichweite etc. auf dem Display aufleuchten lassen. Der gekröpfte Lenker erlaubt mir eine entspannt aufrechtsitzende Körperhaltung, die Sitzbank ist nicht nur sehr bequem, sondern auch durch die Steppnähte schön anzuschauen – und das Auge fährt ja bekanntlich mit.  Sofort nach dem Aufsteigen fühle ich mich auf der kleinen RS wohl. Knieschluss, Arm- und Beinwinkel passen für mich wie angegossen.
Ich biege vom Firmenareal scharf rechts ab und gelange über das Kurveneldorado Freiamt zum Verlagssitz in Staufen. Hierbei zeigt sich die Kawa fahrdynamisch von ihrer besten Seite.

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Verkaufsprospekt der Ur-Z-650 aus dem Jahre 1977.

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Wie bei der großen 900er-Schwester: Vintage-Typenschild.

Blitzschnell und ohne Kraftanstrengung reagiert sie auf meine Lenkimpulse. Wieselflink, quirlig und federleicht (die Z 650 RS bringt vollgetankt 187 kg auf die Waage) meistert sie das Kurvenlabyrinth, welches ich ihr testweise vorsetze. Der dezente Auspuff mit seinem unter dem Motor versteckten Sammler und kurzem Endtopf auf der rechten Seite präsentiert sich dabei als Ohrenschmeichler und Nachbars Liebling – nicht zu laut und angenehm im Klang. Ein Moped, das an einem Parkplatzstopp vorbeiknattert, ist um einiges lauter. In Freiburg navigiere ich die Kawa noch etwas durch den Stadtverkehr. Spurwechsel und Stopp-and-Go funktionieren mit der Kleinen erwartungsgemäß problemlos.  Zum Schluss geht es hinter Freiburg noch ein paar Kilometer über die Schnellstraße. Die kleine Kawa beschleunigt ruckzuck auf 120 km/h – mehr lässt der Verkehr nicht zu. Natürlich kann die Retro-Z schneller, nämlich laut Kawasaki 191 km/h Spitze. Aber mal ehrlich, wo kann man heute noch so schnell fahren, außer auf der Autobahn nachts um halbeins?

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Dezent verbaut, mit angenehmen Klang und schön geschwungenen Krümmern:

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Die Auspuffanlage der Vintage-Z.

Die Z 650 RS gibt es in drei Farbvarianten. Neben der gefahrenen Kombi Metallic Spark Black ist sie noch in Candy Emerald Green und Metallic Moondust Gray/Ebony erhältlich. Dazu gesellt sich noch das Sondermodell 50th Anniversary in Candy Diamond Brown mit ein paar kleinen aber feinen zusätzlichen Designelementen. Für mich persönlich wäre die Retro-Z in Smaragdgrün oder das Sondermodell erste Wahl, weil die kleine RS bei diesen Varianten auf goldenen Felgen steht. Und das ist eine, wie ich finde, schön ausgewogene Farbkombination, die den Retrocharakter nochmal unterstreicht. Wer mag, kann seine RS durch Accessoires aus dem Kawasaki-Zubehörprogramm oder von Drittanbietern individuell aufhübschen.
Kommen wir zum Schluss noch zur Preisfrage: Die Z 650 RS kostet in Metallic Spark 7.995 € zzgl. Nebenkosten. In Smaragdgrün bzw. Mondstaubgrau 8.145 € zzgl. Nebenkosten. Für 8.395 € zzgl. Nebenkosten kann man das 50th Anniversary Sondermodell sein Eigen nennen. Mir hat die Kawasaki als ein rundum gelungenes Motorrad an beiden Tagen viel Spaß bereitet. Dafür an dieser Stelle nochmal vielen Dank an Hänsle Motorradsport für die Bereitstellung des Testbikes.

Text und Fotos: Guido Schmidt

Über den AUTOR

Guido Schmidt

Inhaber und Verleger des bmm.
Fährt privat eine Honda CB 1100 RS.
Schreibt überwiegend Reiseberichte, über Regionales, Veranstaltungen und Produkttests.

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