R wie Roadster
Eins vorab: Ja, ich weiß, die neue S 1000 R hat jede Menge Eigenständigkeit verloren. Der früher übliche BMW-Zwinkerblick ist mittlerweile Geschichte. Tut mir leid für diejenigen die ihm nachweinen, ich mochte ihn noch nie und erfreue mich einer nun klaren und sauberen Linie an der Front. Zudem ist die neue S 1000 R ein perfekter Vierzylinder auf Bayrisch! Warum? Nun, vor allem weil man den mittlerweile viel verbreiteten PS-Wahn nicht einfach so mitgeht und eher darauf schaut, dass die Maschine stattdessen ihr vorhandenes Potential optimal ausschöpft. Und sind wir mal ehrlich, davon hat sie wahrlich mehr als genug. Geholt hatte ich mir die Maschine für eine Reise nach Südfrankreich, um sie einfach einmal mit Gepäck und auf diversen Streckenprofilen dort testen zu können. Leider machte mir am Ende das noch fehlende Gepäcksystem einen Strich durch die Rechnung. Also schnappte ich sie mir hier im Anschluss an die Reise, um ihr auf den Zahn fühlen zu können. Dabei kam das erste Gefühl dann auch bei der ersten Sitzprobe. Ein wenig zu hoch vielleicht, in 830 mm Höhe und trotz schmäler gewordenen Sitzes für mich mit meinen kurzen 172 cm aber immer noch sicher genug, um mit beiden Beinen auf den Boden zu kommen. Die vorgebeugte Sitzposition, der Lenker ist rund 15 mm weiter nach vorne gewandert, war ebenfalls angenehm und nicht zu sportlich. Der erste Kontakt war also schon einmal sehr positiv, wobei ich mir in den folgenden Momenten, nach dem Starten des Motors, keinerlei Gedanken mehr über zu wenig Leistung machte, sondern meinem Grinsen unterm Helm folgte und losfuhr.
BMW S 1000 R – weniger ist mehr
Die nackten Zahlen sagen 165 PS Leistung, womit die Bayerin in der Riege der Hypernakeds nicht in der Spitze mitspielt. Zieht man in den Vergleich die anderen Hersteller, so liegen Ducati und MV Agusta mit knapp 40 PS über der S 1000 R; KTM und die neue Speed Triple 1200 mit jeweils 15 PS darüber. Dabei hätte man den Motor der S 1000 RR (207 PS) einfach 1:1 übernehmen können und hätte somit sogar weniger Fertigungsaufwand am Band gehabt. Tja wie bereits erwähnt, hätte hätte Fahrradkette, BMW geht seinen ganz eigenen Weg, reagiert auf das allgemeine Wettrüsten mit Detailverbesserungen und einer optimaleren Nutzbarkeit dessen, was zur Verfügung steht. Damit macht man aus Weniger am Ende ein erhebliches Mehr für den Kunden, der damit das einfach ausgereiftere Motorrad bekommt.
Die einstellbare Fußrastenanlage mit Sichtcarbon und M Branding kostet extra.
Die auf der Testmaschine verbauten Carbonräder als Option sparen etwas am Gesamtgewicht.
Sehr schön designte Front mit optionalem adaptiven Kurvenlicht (Headlight PRO – sinnvolle, zubuchbare Option).
Im zubuchbaren Dynamikpaket ist der Schaltassistent PRO enthalten, ebenso ein Motorspoiler, Fahrmodi PRO und sogenanntes Dynamic Damping Control (DDC).
BMW S 1000 R – der Motor
Unterwegs mit ihr fällt das auch gleich ziemlich deutlich auf. Der Motor ist eine Wucht und hat mit 165 PS bei 11.000 Touren und 114 Newtonmeter bei 9.250 Umdrehungen die exakt gleichen Leistungsdaten wie die alte S 1000 R. Tatsächlich basiert er aber auf dem aktuellen Triebwerk der neuen S 1000 RR. Nur dass man hier auf das komplizierte Shift-Cam-System der RR verzichtet, um zum einen Kosten zu sparen, zum anderen Perlen vor die Säue geworfen wären, da die variabele Ventilsteuerung sowieso erst bei höheren Drehzahlen greift, die man in einem Naked Bike wie der S 1000 R in der Regel nicht braucht. Und genau das ist das zweite Gefühl auf ihr, als die ersten Kurven kommen und das städtische Geplänkel endlich hinter uns liegt. Die Leistungsentfaltung der R ist souverän, wobei sie schon aus dem Keller ab 2.000 Umdrehungen ohne Zicken richtig voranschiebt. Im starken mittleren Drehzahlbereich zwischen 3.500 und 10.000 Umdrehungen hat man stets zwischen 80 und 90 Newtonmeter anliegen, bevor man den Motor bei rund 12.000 Umdrehungen in den Begrenzer zieht. Und auch bis dorthin bekommt man noch einmal ordentlich Schub geboten. Schaut man sich im Nachhinein die Momentkurve des Reihenvierers an, wird einem das erlebte Fahrgefühl klar. Die Linie schaut aus, wie wenn sie mit einem Lineal gezogen worden wäre. Damit bleibt natürlich auch keinerlei Angriffsfläche für Kritik, denn der Motor funktioniert einfach nur richtig gut.
BMW S 1000 R – das DDC-Fahrwerk
Beim Fahrwerk wie auch bei der gesamten Ausstattung der S 1000 R hat man sehr viel Freiraum. Denn wer selbst gerne Hand anlegt und sich sein Fahrwerk einstellt, der braucht nicht das Geld für das DDC-Fahrwerk (Dynamic Damping Control) auszugeben. In der von mir vollausgestattet gefahrenen Version war es allerdings verbaut. Mir passte das auf den Strecken hier bei uns sehr gut, denn ich konnte keinerlei Nachteile der Elektronik feststellen. Natürlich regelt so ein Fahrwerk dem Straßenzustand entsprechend immer etwas nach, aber für mich war dies im normalen Straßenverkehr nicht spürbar. Ebenso war klar, dass bei einem solchen Bike die Bremsen keinerlei Wünsche offen lassen würden. Und das tun sie auch nicht. An Bord befindet sich das fein regelnde ABS-Pro – auch Kurven-ABS genannt – ebenso wie die Traktionskontrolle Pro DTC. Diese Kombination arbeiten zusammen mit den weiteren Helferlein unbemerkt im Hintergrund und sind dann da, wenn man sie braucht. Außerdem am Start eine Berganfahrhilfe, HSC genannt, und natürlich diverse Fahrmodi (Rain, Road, Dynamic). All das kann man über die mittlerweile sehr umfangreich bestückten Lenkerenden bedienen und findet auch recht zügig in die Untermenüs hinein. Hatte die alte S 1000 R noch einen LCD-Bildschirm verbaut, geht die neue natürlich wie beim Design mit der Zeit und vor dem Fahrer tut sich ein 6,5 Zoll großes TFT-Farbdisplay auf. Die Funktionen sind dabei so mannigfaltig wie die Ausstattungspakete, die man zusätzlich zur Grundausstattung hinzuwählen kann, aber dazu im nächsten Absatz noch etwas mehr.
Hier nimmt man gerne Platz. Für Sozius oder Sozia gibt’s einen Soziussitz als Option. Bild zeigt die M-Version.
Sehr gut ablesbares und leicht zu bedienendes LCD-Display.
BMW S 1000 R – Basis
Das Basismodel der neuen S 1000 R hat also serienmäßig schon all die oben genannten Features, was in Bezug auf die Konkurrenz eine gute Entscheidung der Verantwortlichen bei BMW war. Allerdings hat das natürlich auch zur Folge, dass das Zubehörkonzept des Modelles z. B. an vorgefertigten Paketen und Sonderausstattungen immens ist. So gibt es neben der Serienausstattung noch Gimmicks wie die Motorschleppmomentregelung MSR, das Headlight Pro mit adaptivem Kurvenlicht (zusätzlich zur serienmäßigen LED-Beleuchtung rundum), die HSC Pro, die DBC (Dynamic Brake Control) und das DBL (Dynamisches Bremslicht). Da die S als Einsitzer ausgeliefert wird, empfiehlt sich für Soziusfahrten das Soziuspaket mit Sitz und Rasten. Klar ist auch das man bei BMW das kupplungsfaule Schalten unterstützt. Den Schaltassistent Pro gibt es somit auch als Zubehör. OEM-Zubehör für die S 1000 R in großer Auswahl gibt es auch bei den namhaften Motorradzubehör-Spezialisten.
Drei Styles, drei Grundpreise: Die Version Racing Red gibt’s ab 14.749 €, die Style Sport mit der Farbkombi Hockenheim-Silbermetallic und kupferfarbenen Akzenten beginnt bei 15.065 €. Die Variante Lightwhite uni/M Motorsport inkl. M Paket startet bei 17.560 €.
BMW S 1000 R – die Zusatzpakete im Überblick
Dynamikpaket Fahrmodi Pro (Fahrmodus Dynamic Pro, MSR, DBC, HSC Pro, Launch Control, Pitlane Limiter), Schaltassistent Pro, DDC (Dynamic
Damping Control), Motorspoiler
Komfortpaket Keyless Ride Light (nur Zündung), USB Ladeanschluss, Heizgriffe, Temporegelung
M Paket M Schmiederäder oder gegen Aufpreis die M Carbon Räder, M Lightweight Batterie, Titan Sportschalldämpfer, M Endurance Kette, M Motorsport Lackierung, Freischaltcode M Laptrigger, M Sportsitz, M Tankdeckel
Carbonpaket M Carbon Vorderradkotflügel, M Carbon Hinterradkotflügel, M Carbon Kettenschutz, M Carbon Windabweiser
Frästeilepaket M Handhebel li./re., M Handhebelprotektoren li./re., M Fußrastenanlage, M Austauschrasten Sozius
Fazit
Für mich haben die Bayern einen sehr guten Job gemacht und ein ehemals schon gutes Modell einfach perfektioniert. Das sie nicht an der Spitze der Leistungskette steht, ist mir ehrlich gesagt egal und nicht so wichtig. Warum? Weil man so viel Potenz auf öffentlichen Straßen sowieso nicht mehr ausreizen kann und ein Naked Bike eben auch kein Dauerbrenner für die Autobahn ist. Nicht mal wenn man so dicke Oberarme hat wie Arnold zu seinen besten Zeiten. Die Optik ist noch immer eigenständig, die Verarbeitung und Materialien sind einwandfrei. Wäre sie eine Wahl für mich? Ja, wäre sie und mittlerweile gibt es sogar das passende Gepäcksystem dazu. In diesem Sinne viel Spaß und schöne Grüße.
Fotos: BMW & Torsten Thimm
Über den AUTOR
Torsten Thimm
Freier Mitarbeiter.
Betreibt unter anderem einen Motorradblog und schreibt über alle möglichen Motorräder.
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