Der zweite Teil meiner Südfrankreichreise startet in NÎmes mit seinen sehenswerten Bauwerken aus der Römerzeit. Bei den abschließenden Fahrten durch die Ardèche mit Enduros führt mich Tourguide Jochen Ehlers an Orte, die nicht jeder kennt.  
Dienstag, 8. Juni. Nach einer kleinen, ungewollten Stadtrundfahrt mit dem Motorrad komme ich am Nachmittag unweit des Amphitheaters von Nîmes im Hotel an. Cécile Coustès erwartet mich schon, um mir bei einem abendlichen Spaziergang die ersten Sehenswürdigkeiten Nîmes zu zeigen. Nîmes ist die Hauptstadt des Départements Gard und eine alte Römerstadt, was man noch heute in der ganzen Stadt spüren kann. Das „französische Rom“ wurde ca. 500 v. Chr. gegründet und wird zu seiner Blütezeit im 1. Jahrhundert n. Chr. zu einer wichtigen Stadt des Römischen Reiches. In dieser Epoche werden Münzen in Nîmes geprägt, um den Sieg der Armeen von Octavius über die Armeen Kleopatras in der Schlacht um Actium im Jahr 31 v. Chr. zu feiern. Diese Münzen zieren ein Krokodil und eine Palme, welche 1535 n. Chr. den Ausgang für das Stadtwappen Nîmes darstellen. Das Krokodil mit der Palme sieht man heute in Nîmes überall in der Stadt. Ganz präsent ist der Krokodilbrunnen in der Fußgängerzone, den der Künstler Martial Raysse 1987 entworfen hat. Zudem schmücken vier ausgestopfte Krokodile seit 1853 das Treppenhaus des Rathauses. Man ist noch heute sichtlich stolz über den Sieg Octavius’ über die Armeen Kleopatras. 
Im 18. Jahrhundert erlebt Nîmes einen großen wirtschaftlichen Aufschwung. Viele Stoffmanufakturen entstehen in dieser Zeit. Der Name des heute allzeit bekannten Stoffes „Denim“ entspringt in dieser Zeit aus den beiden Worten „De Nîmes (Aus Nîmes)“. Vorbei am Amphitheater gehe ich mit Céciles Coustè zur Maison Carrée. Ein römischer Tempel, der dem imperialen Kult diente. Erbaut wurde der Tempel im 1. Jahrhundert n. Chr. zu Ehren Gaius und Lucius Caesar, den Adoptivenkelsöhnen des Kaisers Augustus. Die Maison Carrée ist außerordentlich gut erhalten. 
Fallert Achern Team

Das allgegenwärtige Stadtwappen von Nîmes.

Fallert Achern Team

Der Krokodilbrunnen in der Fußgängerzone von Nîmes.

Fallert Achern Team

Die Maison Carrée in Nîmes.

Unweit der Maison Carrée liegen die Jardins de la Fontaine, eine der ersten öffentlichen Gärten Europas. Sie wurden im 18. Jahrhundert angelegt. Durch die Bepflanzung mit immergrünen Bäumen und Sträuchern wie Aleppo-Kiefern, Steineichen, Zypressen, Olivenbäume und anderen ist der Garten selbst im Winter mit den unterschiedlichsten Grüntönen eingefärbt. Hier in den Gärten lässt es sich herrlich flanieren, Boule spielen oder einfach nur entspannen. Der Temple de Diane schließt sich unmittelbar an die Gärten an. Im 1. Jahrhundert vor Christus erbaut, gehörte der Tempel zum Augusteum mitsamt der heiligen Quelle, einem riesigen Portal, einem kleinen Theater und einem Nymphäum.
Wieder zurück in der Altstadt besichtige ich ein antikes Patrizierhaus aus dem 16. Jahrhundert, das Hôtel Fontfroide, mit seiner gewaltigen Treppe. Die Treppe befindet sich im Verzeichnis des Inventars historischer Denkmäler, wie so vieles in Nîmes. Mit dem Abendessen im Restaurant La Table du 2 im Museum de la Romanité mit fantastischem Blick auf das Amphitheater endet der Tag.
Tagsdrauf werde ich das Amphitheater von innen besichtigen. Das Amphitheater ist das präsenteste, antike Bauwerk in Nîmes. Ende des ersten Jahrhunderts nach Christus erbaut, ist das Bauwerk eines der größten und besterhaltenste der römischen Welt. 133 Meter lang und 101 Meter breit sowie 21 Meter hoch sind die exorbitanten Maße der Arena. Zu damaligen Zeiten fasste das Amphitheater rund 24.000 Zuschauer und es fanden dort hauptsächlich Gladiatorenkämpfe und Kämpfe mit Tieren statt. Getreu dem Motto panem et circenses (Brot und „Zirkus“-Spiele) sollte sich das Volk im Bann halten lassen. Heute dient das Amphitheater für Stierkämpfe und -rennen, Konzerte und Theateraufführungen. So spielte zum Beispiel Metallica 2009 ein unvergessliches Konzert im Amphitheater.
Fallert Achern Team

Die Jardins de la Fontaine in Nîmes.

Fallert Achern Team

Der Temple de Diane in Nîmes.

Nach der ausgiebigen Stadtbesichtigung gibt es das erste motorradspezifische Highlight des Tages: Die Besichtigung der Firma Furygan. Furygan stellt hochwertige Motorradbekleidung her. In Frankreich eine sehr bekannte Marke, in Deutschland nicht so bekannt. In der Manufaktur werden Maß-Lederkombis auf Bestellung genäht. Einige Motorrad-Rennfahrer fahren mit Lederkombis von Furygan – der derzeit bekannteste Fahrer ist Johann Zarco aus Frankreich. Im Showroom darf ich auch eine Hi-Tech Airbagweste testen und sehe nach der Auslösung aus wie Bibendum, das Michelin-Männchen. Beim anschließenden Rundgang durch die Werkstätte wird schnell klar, warum Lederbekleidung für uns Motorradfahrende nicht günstig zu haben ist – gerade dann nicht, wenn es sich um Maßanfertigungen handelt. Hat man früher noch mit analogen Schnittmustern gearbeitet und von Hand die Lederteile ausgeschnitten, geht bei Furygan alles computergestützt auf riesigen Schneidetischen. Das Zusammennähen der Einzelteile wird aber immer noch an speziellen Nähmaschinen analog erledigt, ebenso das Aufbringen sämtlicher Labels.

Schaut hier, wie die Lifevest von Furygan auslöst. 

Ich verlasse Nîmes in Richtung Domazan. Dort werde ich Claude Reynaud treffen, der dort in seinem hübschen Anwesen, dem Château de Bosc, ein Zweiradmuseum eingerichtet hat. Hier kann ich in die Geschichte des Zweirades eintauchen. Das Museum beherbergt neben Draisinen, Hochrädern und geschichtsträchtigen Rennrädern (unter anderem den original Rennrädern von Jacques Anquetil und Raimond Poulidor) auch historische Motorräder sowie Modelle aus den letzten Jahrzehnten. Unter anderem eine hervorragend erhaltene Honda CB 750 four oder eine der wenigen Indian mit vier Zylindern. Sahnestück bei den Motorrädern ist die originale Rennmaschine von Giacomo Agostini – eine MV Agusta Magni. Im angrenzenden Park, welche mit allerlei moderner Kunst bestückt ist, stehen zwei stillgelegte, alte Kampfjets: eine russische MiG 17 aus dem Jahr 1952 und eine französische Mirage 5 von 1967.
Die Reise mit dem Straßenmotorrad endet am Abend in Barjac in einer besonderen Unterkunft. Das Mas Ecombelle bietet vor allem Gruppen eine besondere Unterkunft. Ich übernachte hier in einer mongolischen Jurte. Sophie und Christophe Botton sind die Inhaber dieser abenteuerlichen Location und  haben ihr Grundstück eindrucks- und liebevoll gestaltet. Im Swimmingpool kühle ich mich vor dem Abendessen noch ab. Das Ehepaar Botton serviert ein hervorragendes, typisch französisches Abendessen mit hervorragendem französischen Rotwein.
Fallert Achern Team
Fallert Achern Team
Fallert Achern Team
Fallert Achern Team
Fallert Achern Team

Übernachtung in einer mongolischen Jurte im Mas Ecombelle.

Endurofahren in der Ardèche
Am 10. Juni fahre ich nach Joyeuse, um mit Jochen Ehlers die Gegenden rund um die Ardèche mit einer Enduro zu erkunden. Jochen kennt die Ardèche wie seine eigene Westentasche und wird Ziele anfahren, die Ortsunkundige nie zu sehen bekommen werden. Viel Asphalt ist bei seinen Touren nicht dabei.Meist nur ein kurzes Stück, dann biegt Jochen gleich wieder in Pfade ab, die nach Nirgendwo zu führen scheinen. An diesem Tag fahren wir durch Olivenhaine und Weinreben kreuz und quer bei 30 Grad Außentemperatur. Trotz der heißen Temperaturen ist es gerade beim Endurofahren wichtig, sich gegen evtl. Stürze zu schützen. Rücken-, Schulter-, Knie- und Ellenbogenprotektoren sind obligatorisch, ebenso Hartschalenstiefel. Meine Daytona Motorradstiefel sollte ich nicht unbedingt anziehen. „Das sind für das Endurofahren eher Tanzschuhe“, sagt Jochen zu mir. Zum Glück hat mir Jochen ein paar Stiefel leihweise überlassen. Ebenso stellt mir Jochen eine Enduro zur Verfügung: eine Yamaha TT 350 aus den 80er Jahren. Eine auch heute noch hervorragende Enduro.
An einer alten, stillgelegten Ölmühle (Moulin Dupuy)  in St. André Lachamp machen wir Pause. Zuerst ein unscheinbarer Ort. Wenn man aber um das Gebäude herumläuft, befindet sich dort eine der unzähligen Steinbücken der Ardèche. Eigentlich ein Wunder, dass die Brücke hält. Mit einem etwas mulmigen Gefühl gehe ich über die Brücke. Manch einer nimmt gerade bei diesen Temperaturen ein Bad im unter der Brücke verlaufenden Fluss.
Wir fahren weiter zu Jeff Barbe in St. André Lachamp, einem ganz besonderen Flötenbauer. Er baut Flöten aus den unterschiedlichsten Naturmaterialien. Egal ob Bambus, Tierknochen, diverse Hölzer oder Kürbisse – Jeff baut aus allem eine Flöte. Wir besichtigen seine Werkstatt und er spielt uns eine mittelalterliche Melodie auf einer dreiteiligen Flöte vor. Am späten Nachmittag kehren wir wieder zurück in unser „Basishotel“ in Joyeuse, dem Hotel Europa. Mit seinem erstklassigen Restaurant und einem überdachten Swimmingpool eignet sich das Hotel Europa hervorragend für einen mehrtägigen Aufenthalt und dient als Ausgangspunkt für ausgedehnte Tagestouren.
Fallert Achern Team

Das Viadukt von Doulovy.

Fallert Achern Team

Die Moulin Dupuy in St. André Lachamp.

Fallert Achern Team

Der stillgelegte Eisenbahntunnel in Le Frigolet.  Foto: T. Krämer

Am nächsten Tag geht die Enduro-Adventuretour weiter. Wir fahren von Joyeuse aus Richtung Südwesten und fahren dort über das Viaduc du Doulovy, einer ehemaligen Lieferbrücke mit Eisenbahnschienen. Es ist wieder sehr heiß heute und der umliegende Wald spendet beim Fotostopp bereitwillig Schatten. Nächstes Ziel ist ein stillgelegter Eisenbahntunnel in der Nähe von Le Frigolet, den wir durchqueren. Im Tunnel ist es stockdunkel. Eine Durchfahrt ist nur mit ausreichendem Scheinwerferlicht möglich. Hier drinnen ist es wunderbar kühl, fast schon kalt. Nach der Ausfahrt bleiben wir noch etwas am Ausgang stehen und genießen die frische, kalte Luft, die durch den Tunnel geblasen wird. Als nächstes Highlight folgt noch eine Wasserdurchfahrt), ehe wir auf verschlungenen, kleinen Pfaden wieder den Weg zurück nach Joyeuse in Angriff nehmen.

Am nächsten und letzten Tag vor meiner Heimreise fahren wir mit unseren Straßenmaschinen nochmal nach Labastide de Virac zum Château des Roure. Eine ganz im mittelalterlichen Stil erhaltene Burg, die wir besichtigen. Die größte Attraktion hier ist eine riesige Steinschleuder, die uns demonstriert wird. Leider bleibt nicht allzuviel Zeit, die Burg ausgiebig zu besichtigen. Zumindest aber sind wir einmal mit Führung durch die Burg gegangen. Hier begegnet mir auch wieder die Serikultur. In einem Raum kann ich alle Entwicklungsstadien der Seidenraupe sehen. Unzählige gefräßige Seidenraupen bewegen sich hier gemächlich auf mehrern Böden und knuspern gemütlich an ihren Maulbeerbaumblättern.
Am Sonntag, 13. Juni mache ich mich nach einem ausgiebigen Frühstück (das Frühstück im Hotel Europa ist wirklich große Klasse!) auf die Heimreise und fange mir zwischen Privas und Le Pouzin einen Strafzettel ein – und das an einem Sonntag! In Frankreich gilt 80 km/h auf Landstraßen. Ich bin 84 km/h gefahren, das kostet dann gleich mal 45 Euro. Also Vorsicht, wer in Frankreich motorisiert unterwegs ist. Das kann bei zu schnellem Fahren ganz schön teuer werden.
Zum Schluss noch eine Empfehlung bei einem Aufenthalt in der Ardèche. Sehr zu empfehlen ist ein Besuch bei der Cave de Lablachère in Lablachère, wo man alles über den Weinanbau erfahren kann. Weinproben nach Vereinbarung. Nicht weniger interessant ist das Kastanienmuseum in Joyeuse sowie auch in Joyeuse der Markt jeden Mittwoch, wo es regionale Spezialitäten nicht nur kulinarischer Art zu kaufen gibt.
Ich bedanke mich bei Jochen Ehlers für die tolle Organisation, bei der ADT Ardèche und bei Maryvonne Lefebvre von Nîmes Tourisme für die Organisation der Besichtigungen und den zeitlichen Ablauf während der Reise.
INFOS im Web:
Fotos, soweit nicht anders angegeben: Guido Schmidt

Über den AUTOR

Guido Schmidt

Inhaber und Verleger des bmm.
Fährt privat eine Honda CB 1100 RS.
Schreibt überwiegend Reiseberichte, über Regionales, Veranstaltungen und Produkttests.

Mailkontakt  |  facebook  |   instagram