Die Königliche, ein feiner britischer Klassiker
Kickstarter ausgeklappt, zweimal ohne Zündung mit kurzem Chokeeinsatz durchtreten, Zündung ein und ein-, zweimal kräftig treten, der Motor läuft. Er läuft mit niedriger Drehzahl, fast könnte man mitzählen. Kein Gejaule und Hochdrehen des Motors, stoisch tuckert er vor sich hin und wärmt das Öl an.
„Die Königliche“, liebevoll so genannt, erfreut auch nach nun bald 20 Jahren noch das Herz des Fahrers. Und das schon vor dem ersten gefahrenen Meter.
Rückblick: Schon vor 40 Jahren war ein englisches Motorrad etwas Besonderes. Stimmt, etwas besonders Seltenes. Stimmt auch. Jedenfalls ein Motorrad von „altem Schrot und Korn“. „Alt“, auch hier stimmt die Aussage, die ursprünglichen Konstruktionen der Modelle in den Achzigern waren meist schon ziemlich alt. Deswegen wahrscheinlich auch kernig, eigen, mit ganz besonderem Charme. Altmodisch? Nicht zu vergleichen mit einem der damals vielen japanischen Motorräder, etwa einer Honda Bol d’Or oder Suzuki GS 750. Damals fast nur mit Kickstarter erhältlich, nimmt man die letzten Modelle der Norton Commando und Triumph Bonneville einmal aus. Zollschrauben schreckten schon mal ab und die Mär mit dem „tropfenden Engländer“, na ja…
Eine schöne Optik, wenig Gewicht und ein gutes Fahrwerk. Dazu ein guter Ton, alles auch positive Eigenschaften.
In meinen Motorrad-Anfangsjahren wurde es kein Engländer, wenige englische Motorräder waren unterwegs, noch weniger Werkstätten waren mir bekannt. So wurde der Motorrad-Bazillus eben bei den italienischen Marken fündig.
Zwanzig Jahre später beim Besuch einer Motorrad-Ausstellung: Ein herrlicher Verkaufsstand des Enfield-Händlers Flo Nitz. Auf Podesten mit dunkelgrüner Verkleidung die Royal Enfield 500 Tial, die 500 Clubman und auch eine Royal Enfield mit einem Hatz-Dieselmotor. Dazu die originalen Royal Enfield-Modelle vom Typ „Bullet“. Das hat schon ordentlich Eindruck gemacht, alle Motoren mit herrlich polierten Aluteilen, mächtigen Zylindern und Kühlrippen, alles „Motorräder pur“, ohne Schnörkel. Flo Nitz kickte auch ein Motorrad an: Herrlich, das tiefe Wummern des Motors.Wie schön, dass es im Südschwarzwald doch ganz in meiner Nähe den Royal Enfield-Händler Wolfgang Diewald in Schönau im Wiesental gab. Den musste ich unbedingt aufsuchen. Ja, und dort bin ich dann endgültig dem Engländer-Bazillus erlegen. Die Clubman hatte es mir angetan. Dieses Modell war neben der Trial ein Sondermodell des damaligen englischen Importeurs Watsonian-Squire. Die Sondermodelle trafen bei den englischen Motorradfahren genau ins Schwarze. In England konnte Watsonian-Squire den Absatz von Royal Enfield von 75 Motorrädern im Jahr 1999 auf über 600 Stück im Jahr 2002 steigern.
Mit Wolfgang Diewald wurde ich handelseinig. Eine „Bullet 500“ wurde mit einem Clubman-Umbausatz versehen. Alu-Tank, M-Lenker, hochgezogener Auspuff im BSA-Stil sowie Einmann-Höcker und zurückverlegte Fußrasten ergaben einen richtig klassischen Sportler. Dass der Motor nicht mehr Leistung wie eine Yamaha SR 500 hatte, tat der Sache keinen Abbruch. Die Clubman liebt kurvige Strecken, je kurviger, desto besser. Und da ist eher guter Durchzug gefragt, als Spitzenleistung. Und auch Fahrwerk und Gewicht von 160 kg mit vollem 19 L-Tank passen richtig gut auf der Suche nach Kurven.
Wer Kurven liebt, fährt Clubman S.
Die „Königliche“ vor der historischen Kulisse der Talvogtei in Kirchzarten.
Doppel-Simplex Trommelbremse.
Mit der Zeit wurde die Clubman noch etwas verfeinert, etwa durch die Alu-Hochschulterfelgen, den Rückbau der etwas abstehenden Werkzeug-/Luftfilterkästen oder den Umbau der Doppel-Simplex-Vorderbremse. Geblieben ist das etwas antiquierte Viergang-Getriebe, das ist dieser Form noch aus den 50er Jahren stammt. Etwas stoisch zu schalten, dafür aber mit dem „Leerlauf-Finder“ versehen. Beim Ausrollen ein Tritt mit der Hacke darauf und der Leerlauf ist gefunden. Versprochen!
Das Getriebe ist technisch sicherlich nicht auf der Höhe der Zeit, passt aber durchaus zur altmodischen Auslegung der Clubman bzw. Bullet. Engländertypisch ist es natürlich rechts geschaltet.
Ein Motorrad, an dem man durchaus auch etwas „Schrauben“ darf, an dem man die vier Arbeitstakte des Motors leicht nachvollziehen kann. Alles gut zugänglich, im wahrsten Sinne „Technik zum Anfassen“. Und bei genauem Hinsehen gar keine so schlechte Fertigung: Ab 2005 wurden alle Rahmen der Bullet kunststoffbeschichtet!
Unterwegs: Wie schon erwähnt, die Clubman springt eigentlich fast immer nach ein/zwei Tritten an. Die Sitzposition ist sportlich, jedoch nicht unbequem. Der Blick schweift über die Instrumente, bestechend schön der Smith’s Tacho, dazu Drehzahlmesser und Voltmeter. Der Lenker liegt gut in der Hand. Die Kupplung hat nur geringe Handkraft. Mit tiefem Bass begleitet der Auspuff den ersten Gangwechsel. Am besten, man lässt den Stiefel bis zum vollendeten Gangwechsel auf dem Hebel, dann klappt das Schalten ganz ordentlich. Das Vierganggetriebe ist passend zur Leistung abgestuft, höhere Drehzahlen können meist vermieden werden.
Die Clubman ist ein „Kurvensuchgerät“.Taucht eine solche auf, macht es Spaß, spät zu bremsen, kurz abzuwinkeln und mit ordentlich Schräglage und Gas wieder heraus zu beschleunigen. Die schmalen Heidenau-Reifen in 19 Zoll-Durchmesser erleichtern Schräglagenwechsel und haben gut Grip. Dazu die passende Optik zum klassischen Motorrad. Die Doppel-Simplex-Vorderradbremse bremst ordentlich. Klar, eine Scheibenbremse beißt besser, dennoch verzögert sie gut und hat eine bestechende Optik.
Mit der Optik sind wir wieder am Ausgangspunkt: Die Königliche, ein feiner britischer Klassiker.
Text: WA; Fahrfotos: Guido Schmidt; Detailfotos: WA