Die geplante Weltumrundung von Hatsche geht in den dritten Teil. Über die zweite Etappe von Malaysia nach Australien berichteten wir in der August- & Septemberausgabe 2020. Jetzt stand nach zweijähriger Corona-Zwangspause im Winter 2022/23 die dritte Etappe an. Sie führte Hatsche durch Südamerika.

Von Hartmut „Hatsche“ Schmidt

Ein Verschiffen meiner BMW F650 von Deutschland nach Südamerika kommt nicht infrage, da durch den coronabedingten Zusammenbruch der Lieferketten die Frachtkosten immens gestiegen sind. Deshalb war ich im Jahr zuvor schon zwei Monate in Paraguay, habe dort einen Einwanderungsprozess durchlaufen und habe so eine Daueraufenthaltsgenehmigung erhalten. Und mit dieser „Cedula“ war es möglich, in Paraguay ein Motorrad zu kaufen und auf meinen Namen zuzulassen. Denn auf dem Gebrauchtmotorradmarkt in der Hauptstadt Asunción bekommt man nur Schrottmopeds. Größere Motorräder sind auch Mangelware und zudem überteuert. Und so wurde es eine Yamaha XTZ 250. Die gibt‘s auch nur in Südamerika zu kaufen. Mein Händler in Asunción heißt Chacomer. Der hat auch gleich die Zulassung für mich übernommen. Erweitert wurde die XTZ noch mit einem Windschild, Sturzbügel, Hauptständer, Kofferträger und einem Topcase-Träger. Und weil in Paraguay nicht alle Accessoires erhältlich waren, musste ich die meisten im Nachbarland Brasilien anbauen lassen. Motorradausrüstung samt Helm, Tankrucksack und Satteltaschen habe ich im Flugzeug mitgenommen.

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Der erste Schritt für die Südamerika-Etappe ist getan: die Übergabe der Yamaha XTZ 250 in Asuncion/Paraguay.

Paraguay

Mitte November 2022 ist es dann soweit. Ich starte mit Sack und Pack auf meine Südamerika-Rundfahrt. Es geht zunächst auf der Ruta 9 in Paraguay immer nordwestwärts bis nach Fernheim, dem Zentrum der Mennoniten. Die Mennoniten sind meist deutschstämmige Auswanderer in vierter Generation und sprechen noch deutsch. So wie in den Gegenden um Independencia und Hohenau im Süden des Landes. Der 75-jährige Abraham hat dort eine Werkstatt, schweißt mir noch den Halter für den Ersatzkanister dran und fertigt noch vier Winkel für die Halterung der Satteltaschen, bevor es weiter Richtung Bolivien geht. Schnell wird mir klar, dass die XTZ 250 mit ihren 20 PS in der Endgeschwindigkeit nur mit den LKWs mithalten kann, jedoch nicht mit den Autos, was ein Überholen erschwert.

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Postkarten-Idyll: Der Strand von Encarnación (Paraguay), im Hintergrund sieht man Posadas in Argentinien.

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Spektakuläre „Straße“ zwischen Villamontes und Tarija im äußersten Süden Boliviens.

Bolivien

Im Norden von Paraguay führt mich mein Weg weiter Richtung Westen zur bolivianischen Grenze. Dort ist nicht viel los und so läuft die Immigration schnell und problemlos. Das liegt daran, dass grade Fußball-Weltmeisterschaft ist und alle Beamten fernsehen wollen. Für die Yamaha bekomme ich ein Dokument, das ich bei der Ausreise wieder abgeben soll. In Bolivien ist bald Schluss mit asphaltierten Straßen – es geht erstmal auf einer Schotterpiste weiter. Und bis zur Provinzhauptstadt Tarija führt die Fahrt auf einer Staubpiste in die Cordilleren durch das Tal des Rio Pilcomayo. Hier habe ich auch meinen einzigen Unfall der Reise. Ein Bolivianer hat mir an einer Kreuzung die Vorfahrt genommen. Glücklicherweise ist nur der linke Außenspiegel kaputt und der Kupplungshebel verbogen. Tarija liegt in einer tollen Weingegend, da ist eine Weintour Pflicht.
Mittlerweile in den Anden angekommen geht es weiter über das Städtchen Tupiza nach Uyuni. Hier auf 3.675 Metern Höhe ist die Luft ganz schön dünn. Uyuni liegt an der größten Salzwüste der Welt, dem Salar de Uyuni. Diese hat eine Fläche von über 12.000 Quadratkilometer. Sie war einst Teil eines prähistorischen Salzsees, der austrocknete.
Die letzte Etappe in Bolivien verläuft meist auf unbefestigten Straßen zur Grenzstadt Ollagüe nach Chile. Die Etappe ist das Schwerste, das ich je gefahren bin. Denn das was man hier als Straße bezeichnet, gleicht eher einem unendlich langen Sandkasten, in dem die Yamaha des öfteren zu versinken droht. Und die entgegenkommenden LKWs sanden mich zusätzlich ein. Total kaputt erreiche ich am Abend dann doch die Grenze nach Chile. Viel los scheint hier nicht zu sein, denn ich muss sowohl die bolivianischen als auch die chilenischen Grenzbeamten erst suchen, um meine Stempel zu bekommen.

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Da geht’s lang: schnurgerade, sandige und holprige Piste zwischen Tarija und Tupiza in Bolivien.

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Ein Markt in Uyuni im Hochland Boliviens. Die Stadt liegt auf rund 3.600 m am Ostufer des größten Salzsees der Welt, dem Salar de Uyuni.

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Der Salar de Uyuni – Salzkruste so weit das Auge reicht. Die Salzkruste kann bis zu 30 Meter dick sein und kann selbst von Bussen und LKWs befahren werden.

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Von Bolivien geht es entlang der Vía Panam durch Chile. Die originale, historische Panamericana führt von Laredo in Texas bis nach Buenos Aires – der inoffizielle  Teil bis nach Ushuaia / Feuerland.

Chile

Was in Chile sofort auffällt, sind die bestens asphaltierten Straßen – endlich raus aus der Sandkiste Bolivien! An zwei kleineren Salzwüsten vorbei führt mich mein Weg über die Provinzstadt Calama nach San Pedro de Atacama. Die Atacama Wüste erstreckt sich entlang der Pazifikküste Südamerikas über eine Distanz von rund 1.200 Kilometern. Sie ist die trockenste Wüste der Erde außerhalb der Polargebiete. Es gibt Orte, an denen jahrzehntelang kein Regen registriert wurde. Das Travellor-Mekka San Pedro de Atacama ist ein beschauliches Städtchen mit vielen Hostels, Bars, Reisebüros und Souvenirläden. Für die vielen Outdooraktivitäten hier habe ich leider keine Zeit. Mein nächster Halt ist die Küstenstadt Antofogasta am Pazifik. Immer weiter führt mich mein Weg in Chile Richtung Süden auf der Ruta 5. Die ist hier ein Teil der Panamericana. Über die Küstenstädte Caldera und La Serena erreiche ich Valparaíso, ebenfalls am Pazifik. Hier habe ich ein Erlebnis der besonderen Art, denn in der Nacht erschüttert ein heftiges Erdbeben mein Bons-Hostel, das hoch oben auf einem Felsen gebaut ist. Erst nach dem zweiten Erdstoß habe ich es auf die Straße geschafft, wo schon mein Vermieter wartet: „Willkommen in Chile!“, meint er nur, „das kommt hier öfters vor“. Nur gut, dass ich am gleichen Tag hundert Kilometer ins Landesinnere in die Hauptstadt Santiago weiterfahre. Die Stadt liegt in einem Hochtal, umringt von teils über 5.000 Meter hohen Bergen. Hier treffe ich mich nach acht Jahren wieder mit Tomas, einem Deutsch-Chilenen. Mit ihm war ich damals mit der Transsibirischen Eisenbahn unterwegs. Er gibt mir nützliche Tipps für das chilenische Patagonien, meinem nächsten Ziel. Bis dahin sind es aber noch tausend Kilometer. Davor durchfährt man noch eine tolle Seenplatte. Im Städtchen Pucón am Villarrica See ist es besonders schön, denn nebenan befindet sich der gleichnamige Vulkan Villarrica. Dessen Gipfel ist schneebedeckt und der Villarica sieht aus wie der Fuji in Japan.
In der Stadt Puerto Montt lasse ich die Yamaha neu bereifen, denn die nächsten 4.000 km sind wohl keine erhältlich. Sie ist auch das Tor ins chilenische Patagonien, auch Carretera Austral genannt. Hin kommt man über zwei Fähren. Gefahren wird auf der Ruta 7. Diese führt in fünf Tagen von Norden bis Süden durch eine wunderschöne Berglandschaft. Ich fahre sie bis Puerto Ibáñez. Hier ist die letzte Möglichkeit nach Argentinien zu kommen. Weiter im Süden wird die Ruta 7 unbefestigt und endet in einer Sackgasse. Puerto Ibáñez liegt am Lago Carrera, dem zweitgrößten See Südamerikas. Auf der anderen Seite liegt Argentinien. Wegen der starken patagonischen Winde geht die Fähre erst am zweiten Tag. Der Seegang ist so stark, dass mir Angst und Bange wird.

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Lago Villarrica in Südchile mit Blick auf den gleichnamigem noch aktiven Vulkan (2.847 m). Sieht ein bisschen aus wie der Fujiyama in Japan.

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Ein Abschnitt der Carretera Austral (Ruta CH-7) im chilenischen Patagonien mit herrlichen Serpentinen.

Argentinien

Eigentlich wollte ich schon bis nach Feuerland fahren in die südlichste Stadt der Welt, Ushuaia. Aber das wären nochmals 3.000 km mehr zu fahren. Und so breche ich die Fahrt nach Süden ab und fahre in zwei Tagen durch die argentinische Steppe ostwärts zur Atlantikküste. Wirklich Spaß macht das eintönige, trockensandige Buschland nicht. Meist führt die Fahrt über hunderte Kilometer schnurgeradeaus. Ein Stück fahre ich auf der Ruta 40, dem argentinischen Teil der Panamericana. Was noch weniger Spaß macht als die Landschaft, sind die orkanartigen Winde, die immer und überall in Patagonien wehen. Da fährst du selbst auf der Geraden in Schräglage. Und auch die Routa 3 an der Ostküste führt nicht wirklich an der Atlantikküste entlang, sondern etwa 50 Kilometer landeinwärts. Interessant ist hier die Touristenstadt Puerto Madryn. Nicht unbedingt wegen der (kalten) Bademöglichkeit, sondern der Tierwelt. Pinguine, Seelöwen, Seeelefanten und Delfine kann man hier beobachten. Erst oberhalb von Bahía Blanca wird es wieder interessanter. Denn ab hier ist die Gegend fruchtbar und es wird Land- und Viehwirtschaft betrieben. Riesige Felder und Viehherden soweit das Auge reicht. Aber auch hier ist das Land topfeben. Am Badeort Mar del Plata genehmige ich mir zwei Tage Fahrpause. Der größte Urlaubsort Argentiniens gleicht schon dem Teutonengrill der italienischen Adria: kilometerlange Sandstrände, tausende von Strandkörben, dicht aneinandergereiht und Scharen von Touristen.
Mein letzter Halt in Argentinien, die Hauptstadt Buenos Aires begrüßt mich mit Regenwetter. Ich komme etwas zu spät an. Denn vor einer Woche waren hier auf der Straße des 9. Juli die Feierlichkeiten zur Fußballweltmeisterschaft. Gefühlt jeder Zehnte hier trägt noch stolz ein Messi-Trikot. Aber auch sonst ist Buenos Aires mit den vielen mittelalterlichen Straßenzügen eine tolle Stadt. Vor allem der Stadtteil La Boca mit den bunt bemalten Häusern weiß zu gefallen. Hier ist die Fußballlegende Maradona groß geworden. Auf vielen Häusern ist Argentiniens Fußballidol überlebensgroß abgebildet.

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Überfahrt über den Lago Buenos Aires von Chile nach Argentinien. Von Puerto Ingeniero Ibáñez führt eine Fährverbindung nach Chile Chico, der Grenzstadt zu Argentinen. Die Fahrt dauert rund zweieinhalb Stunden.

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Italienisches Flair im bunten Stadtteil La Boca in Buenos Aires. Bei der weltbekannten Fußballmannschaft Boca Juniors spielte einst Diego Maradona.

Uruguay

Über die 50 km große Mündung des Rio de la Plata fahren täglich Speed-Fähren in den Küstenort Colonia del Sacramento in Uruguay. Praktischerweise erfolgt die Immigration nach Uruguay schon im Hafen von Buenos Aires. Colonia del Sacramento hat eine wunderschöne Altstadt mit Straßen aus Kopfsteinpflaster. Die Häuser sind meist noch aus der Kolonialzeit. Es gibt viele Kneipen, Restaurants und Bars. An diesem Ort ist „chillen” angesagt. Die Portugiesen gründeten Colonia 1680 um Waren nach Buenos Aires zu schmuggeln. Das Unschöne an Uruguay sind die Preise. Denn es ist ähnlich teuer wie Chile oder wie zuhause. Uruguay ist ähnlich wie Paraguay topfeben und sehr landwirtschaftlich geprägt. Es ist ein kleines Land und man kann es bequem an einem Tag von Norden nach Süden oder von Osten nach Westen durchfahren. Und so dauert die Fahrt in die Hauptstadt Monteviedeo auch nur einen halben Tag. Wie in Santiago und Buenos Aires, so bietet auch Montevideo kostenlose, interessante Gruppen-Stadtführungen an. Am Ende gibt man dem Guide ein Trinkgeld. Montevideo hat eine schöne Altstadt und gehört zu den sichersten Städten Südamerikas. Außerdem gibt es einen 22 km langen Stadtstrand, an dem hunderte von Hotels liegen. Weiter geht die Fahrt über den Urlaubsort Punta del Este nach Punta del Diablo. Und nach einer Woche ist die Küste von Uruguay dann auch schon abgefahren. Das Land wurde mir im Vorfeld schöner angepriesen, als es dann war.

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Florianópolis in der Provinz Santa Catarina in Brasilien mit seinen rund 510.000 Einwohnern liegt fast gänzlich auf der Ilha de Santa Catarina, einer dem Atlantik zugewandten, vorgelagerten Insel. 

Brasilien

Der Süden von Brasilien gleicht Uruguay. Ich fahre über Pelotas nach Porto Alegre. Die Stadt liegt schön an einer großen Lagune, ist aber eher hässlich anzusehen. Nördlich davon wird die Landschaft interessanter und das Klima subtropisch. Die dschungelbewachsene Berglandschaft ist atemberaubend. Was auf den Autobahnen wirklich stört, sind die notorischen Dauer-Links-Langsamfahrer. Deshalb mache ich die rechte (LKW)-Spur zu meiner Überholspur.
In der sehr sauberen Küstenstadt Florianópolis, der Hauptstadt der Provinz Santa Catarina, hat es mir besonders gut gefallen. Die Stadt liegt schön gelegen auf einer großen Halbinsel.
Sehr angetan war ich vom brasilianischen Lebensgefühl. Denn die Menschen genießen das Hier und Jetzt. Am späten Abend wird da schon mal auf der Straße zu Livemusik getanzt. Sowas hatte ich in den anderen Ländern nicht gesehen. Leider wird hier nur portugiesisch gesprochen. Da komme ich mit meinen geringen Spanischkenntnissen nicht weit. Selbst in der deutschstämmigen Gegend von Blumenau wird kaum noch deutsch gesprochen. Dafür findet hier das größte Oktoberfest außerhalb Deutschlands statt. Und das ganze Jahr über kann man in Vila Germanica ein deutsches Volksfest besuchen. Und beim Besuch des Sommerfestes im Nachbarort Pomerode wähne ich mich fast in Deutschland, nicht nur wegen der Fachwerkhäuser im deutschen Stil und den Trachtentänzen zu Blasmusik.

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In Blumenau in Brasilien im Bundesstaat Santa Catarina, versprühen die vielen, meist nachgebauten Fachwerkhäuser eine Atmosphäre der deutschen Kolonialzeit um 1850.

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Zweivierteltakt in der Innenstadt von Rio de Janeiro: während des Karnevals beherrscht die Samba das Stadtbild. 

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Im Sambódromo finden alljährlich die Umzüge und die Wettbewerbe der Sambaschulen statt. 88.500 Zuschauer passen in die riesige Arena.

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Ein weiteres Postkartenmotiv zum Ende der dritten Etappe: Blick vom Corcovado auf ein Wahrzeichen Rio de Janeiros, dem Zuckerhut. Auf dem 710 Meter hohen Corcovado befindet sich ein weiteres Wahrzeichen Rios, die Christusstatue Cristo Redentor.


Vorbei an Curitiba und durch die Metropole São Paulo führt mich mein Weg zum letzten, großen Ziel: Rio de Janeiro. Wenn schon nicht Ushuaia, dann wenigstens Rio, so meine Devise. Das Navi lotst mich auch direkt zu meinem Hotel in der Innenstadt. Dass man in São Paulo und Rio an roten Ampeln wegen der Überfallgefahr nicht halten soll, kann ich nicht bestätigen. Aber wenn man abends weggeht, lässt man am besten den Geldbeutel und die Papiere im Hotel und trägt nur Bares mit sich. Unvergleichlich ist die Aussicht über die Stadt hoch oben vom Corcovado, der Christusstatue „Redentor“. Und nicht weniger interessant die Seilbahnfahrt auf den Zuckerhut. Die Stadt Rio selbst hat ein Problem mit vielen Obdachlosen, mit Müll und den vielen Favelas. So gesehen hat mir Buenos Aires „von unten“ am besten gefallen und Rio de Janeiro „von oben“. Weitere Highlights in Rio waren der Besuch des Stadions Maracanã und einer Karnevalsveranstaltung im Sambódrom.
Über das Land führt die letzte Etappe in 2.000 km zurück nach Paraguay. Dort stelle ich die Yamaha bei deutschen Auswanderern aus meiner Gegend unter (Kilometerstand 17.910). Denn Südamerika ist noch nicht ganz abgefahren …

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