Nach Marokko? Mit dem eigenen Motorrad? Ist das nicht gefährlich und viel zu heiß? Brauche ich eine Enduro mit 30-Liter-Tank, Wasserkanister und Notrationen von der Bundeswehr? Nichts von alledem!
Von Andreas Wind • am-onroad.de
Das Königreich Marokko ist ein wirklich sicheres Reiseland mit freundlichen, hilfsbereiten Einwohnern, im Frühjahr und Herbst herrscht ein gemäßigtes Klima. In jeder Stadt gibt es Tankstellen, Cafés, Geschäfte und Bankautomaten. Die Straßen sind asphaltiert und der Verkehr außerhalb der Großstädte total relaxed. Was uns dort erwartet? Eine unglaubliche Vielfalt an Eindrücken und Landschaften – vom milden Mittelmeer bis zu den mächtigen Wellen des Atlantiks, von den grünen Hügeln und Zederwäldern des Rifgebirges bis in die Sanddünen der Sahara, durch weite Steppen und tiefe Canyons zu den 4.500 Meter hohen Gipfeln des Hohen Atlas. Grund zum Staunen und Fotografieren bietet auch die vielfältige Architektur: Da wäre die „blaue Stadt“ Chefchaouen im Norden, die Königsstadt Marrakesch, blühende Palmoasen im Süden, karge Lehmdörfer in der Wüste, die imposanten Kasbahs des Weltkulturerbes Aït Ben Haddou, die alte portugiesische Festung im Atlantikhafen Essaouira.
Bei unserer letzten Marokko-Rundreise vor dem Corona-Stopp traf sich unsere total nette Reise-Truppe im Strandhotel bei Málaga, die Motorräder waren vorab schon mit dem Lkw angekommen und standen bereits in der Hotelgarage. Nach einem gemeinsamen Begrüßungsessen am ersten Abend ging es gleich am Morgen, nach einem kurzen Autobahnritt, zur Bucht von Gibraltar, in Algeciras auf die Fähre. Nach 1,5 Stunden Überfahrt und den Einreiseformalitäten befuhren wir erstmals die marokkanischen Straßen über das Küstengebirge hoch oberhalb der Mittelmeerküste. Erstes Orientflair in den Städtchen auf der Strecke nach Süden ins Rifgebirge und dann kamen wir im Hotel in Chefchaouen an. Für dreißig Dirham (3 €) pro Fahrt für je vier Personen brachten uns Taxis in die Altstadt – Waaahnsinn! Winzige Gässchen und Treppen, unzählige winzige Geschäfte, Teestuben, Restaurants, alles blau gestrichen – hunderte von einzigartigen Fotomotiven. Nach dem kühlen Wetter hier im grünen Norden erwartete uns am folgenden Tag ein Riesensprung in die kargen Steppen des Südens. Zuerst mussten wir aber Kilometer machen – über Meknès ging‘s Richtung Mittlerer Atlas, durch schier endlose Zedernwälder fuhren wir immer höher hinauf, unterwegs ein Stopp bei den wilden Berberaffen im Zedernwald und dann über eine schier endlose Hochebene. Richtig kalt hier oben, ein Blick aufs Navi zeigte 2.000 Höhenmeter und in der Ferne schimmerten die verschneiten Gipfel des Hohen Atlas. Serpentine für Serpentine ging es danach hinunter in eine völlig verwandelte Landschaft: Weite, braune Steppe mit dornigem Gras, ein paar Wüstenstädtchen und dann zwei Türme – der Eingang unseres Hotels. Drin erwarteten uns mollig warm geheizte Zimmer, wohltuend heiße Dusche, ein Restaurant mit toller Tajine, serviert im traditionellen Tontopf und dazu außer dem obligatorischen Thé menthe auch Wein und Bier.
Der vierte Reisetag führte uns über den 2.000 Meter hohen Pass Talhremt, auf dem wir im April des gleichen Jahres noch eine Schneeballschlacht gemacht hatten, dann entlang eines Baches namens Ziz – der, je tiefer wir kommen, zu einem richtigen Fluss wird und anschließend durch einen imposanten Canyon führt, dessen rotbraune Felswände immer enger zusammenrücken. Bald sahen wir die ersten Dattelpalmen und Oasendörfer. Und es wurde deutlich wärmer je tiefer wir kamen. In Errachidia, einer modernen Wüstenstadt, machten wir eine Mittagspause mit Poulet, Brochettes, Salades, Frites. Kurz nach der Stadt, immer noch entlang des Oued Ziz, bogen wir ab, um einen Blick auf die „Source Bleue de Meski“ zu werfen: Mitten in einem Palmgarten entspringt aus einer Felswand ein Nebenfluss des Oued Ziz, durchfließt ein Schwimmbecken und die Palmoase. Zeit zum Aufbruch, die Wüste rief, auf nach Erfoud und weiter in die Sahara.
Erste Sanddünen, ein paar Meter Schotterpiste und schon erreichten wir unser ganz aus Lehm gebautes Kasbah-Hotel direkt am Erg Chebbi, Marokkos höchsten Sanddünen. Parken im ersten Innenhof, im zweiten Innenhof ist ein blühender Garten, die Bar und ein großer Swimming Pool, dann kommt die Rezeption und das Restaurant. Direkt hinter den Terrassen unserer gemütlich-orientalisch eingerichteten Zimmer luden die Saharadünen zu einem Erkundungsgang ein, Kamele warteten geduldig auf interessierte Reiter. Jetzt waren wir also angekommen, mitten im Traum von Afrika. Fünf von uns gingen am nächsten Morgen mit Tourleiter Andreas auf Wüstentour. Über Schotterpisten und ein paar Sandpassagen fuhren wir mit unseren BMW GS und Andreas‘ Yamaha Ténéré tief in die Sahara hinein bis zwischen den Hügeln nahe der algerischen Grenze keinerlei Fahrzeugspuren mehr zu sehen waren. Ein paarmal fuhr Andreas voraus, um eine befahrbare Passage zu finden, wir durchquerten ein paar ausgetrocknete Flusstäler, fanden wieder Jeepspuren, überquerten eine Hügelkette und entdeckten neben einem verlassenen Dorf ein altes Mineralienbergwerk. Weil das auch die einheimischen Jeepsafari-Guides kennen, gibt es hier einen regen Handel mit Souvenirs. Noch ein paar Pisten-Kilometer und schon hatte uns die Asphaltstraße wieder. Beim Spießchenessen im Restaurant überraschte uns ein kleines Sandstürmchen – Merzouga liegt eben in der Wüste, aber das dauerte auch nicht lange.
Als nächste Station zog es uns am nächsten Tag Richtung Hoher Atlas. Auf Aspahaltstraßen durch die Oasenstädte Rissani und Alnif nach Tinghir, dem Eingang zur bekannten Todraschlucht. Nur wenige Meter breit ist diese an ihrer schmalsten Stelle, gerade genug Platz für eine schmale Straße und das Flüsschen Oued Todra. Noch ein Stündchen bis zum schönsten Hotel der Reise in Boumalne Dadès. Hier hat der belgische Eigentümer Eddie ein wahres Paradies geschaffen. Jedes Zimmer mit afrikanischer Einrichtung, großer Garten mit Pool, Küchenchef Mohammeds tolle Küche, supernettes Ambiente.
Die Dadèsschlucht im imposanten Atlasgebirge lässt das Motorradherz höher schlagen.
Souks – kommerzielle Viertel oder auch Basare – gibt es in Marokko reichlich.
In diesem Supermarkt kann man ganz stressfrei einkaufen.
Der riesigen Märkte (Souks) laden immer zu einer ausgiebigen Shopppingtour ein.
Im Hafenbecken der Hafenstadt Essaouira liegen unzählige blaue Boote.
Für die Nicht-Endurofahrer hatte Mérièm sich ein Programm ausgedacht: Mit dem Geländewagen ins Vallée des Roses und Picknick mit Lagerfeuer bei einer Berberfamilie im Gebirge. Wir anderen befuhren die Serpentinen der bekannten Dadèsschlucht, immer tiefer hinein in den Atlas. Am Ende der Straße steile Schotterwege bis hinauf ins Hochgebirge. Bis auf knapp 3.000 Meter führte die Trasse nach Osten bis wir nach 40 Pistenkilometern bei Agoudal auf die Straße hinunter ins Todratal trafen. Und nun noch 80 Schluchtenkilometer hinunter und dann noch mal 50 Kilometer zum Hotel – uff. Unser Weg nach Marrakesch führte auf der Straße der Kasbahs in die Filmstadt Ouarzazate und kurz danach zu den Berberburgen des Weltkulturerbes Aït Ben Haddou, die wir uns anschauten. Anschließend über den Altaspass Tizi n‘Tichka, dann hinunter in die nun wieder grüne Ebene des Nordens. Bald durchquerten wir die Vororte der Königstadt Marrakesch. Bis wir beim Hotel ankamen, kannte jeder die wahre Bedeutung des Wortes „Verkehrchaos“. Dafür war unser Hotel mitten im Stadtzentrum eine Oase der Ruhe. Gleich am Abend machten wir uns auf den Weg: Wenige hundert Meter weiter liegt der Platz der Gehenkten, der Jemaa el-Fnaa mit seinen Gauklern, Affen- und Schlangenbändigern, schrillen Musikern, Geschichtenerzählern, Orangensaftpressern und zahllosen Essensständen mit Schnecken, gekochten Lammköpfchen, gegrillten Spießchen und anderen Leckereien. Rund um den Platz liegen die Souks mit Lederwaren, Messingschmieden, Schmuckherstellern, Schneidern, Hühnerzüchtern, Kräuterapotheken, Gewürzhändlern, Schildkrötenverkäufern, Möbeltischlern – es gibt nichts, das es hier nicht gibt. Und das ist wirklich kein Chinaplunder, sondern marokkanische Handarbeit, bei der man die Herstellung direkt miterleben kann.
Am motorradfreien nächsten Tag gingen wir am Morgen auf eine geführte Besichtigungstour durch die Medina, die Souks, zum alten Königspalast und zu einem gemeinsamen Mittagessen. Nachmittags konnten wir den freien Tag genießen, ein bisschen relaxen, um dann später noch einmal ins Tohuwabohu einzutauchen. Nur 190 Kilometer waren es am nächsten Tag bis zur Atlantikküste. Unterwegs ein Fotostopp bei den auf Arganbäumen herumkletternden Ziegen und schon erreichten wir die Hafenstadt Essaouira. Unser Hotel lag am Strand in Sichtweite des Fischereihafens mit hunderten blauer Holzboote, rostigen Hochseetrawlern und halbfertig gebauten Holzschiffen. Hier wird alles angelandet was im Atlantik schwimmt oder auf dem Meeresboden krabbelt oder rumrutscht: Haie, Thunas, Makrelen, Sardinen, Conger, Muränen, Muscheln, Krebse, Meeresspinnen und -schnecken. Und das alles kann man direkt frisch aus dem Korb kaufen, schuppen und ausnehmen lassen und sich nebenan auf dem Grill braten lassen, frischer geht‘s nicht. Die Souks in Essaouiras Medina sind, trotz vieler Touristen, überschaubarer und ruhiger als in Marrakesch.
Andreas Wind von AM Onroad veranstaltet, organisiert und guided die Markokkotouren.
Neuer Tag: So, nun machten wir uns auf den Weg nach Hause. Entlang der wilden und einsamen Atlantikküste fuhren wir gen Norden, umrundeten die industrielle Millionenmetropole Casablanca auf der Autobahn bis zur Hauptstadt Rabat zu unserem stilvollen Hotel im historischen Stadtviertel, dem Quartier Oudayas, mit Blick über den Atlantik. In strömendem Regen, den gibt‘s hier also auch, schauten wir uns die überdachten Souks in der Nachbarschaft an, kauften noch ein paar Souvenirs. Dem Großstadtgewimmel entflohen wir morgens auf der Autobahn, vorbei an Moulay Bousselham und Larache steuerten wir Asilah an, ein idyllisches Künstlerstädtchen am Atlantik. Wir besichtigten die schön restaurierte, weiß-blau gestrichene Medina und trafen uns anschließend bei einem Restaurant (eigentlich mehr eine Imbiss-Holzbude) am Atlantikstrand, barfuß planschten wir durchs Wasser, dann ein köstliches Fischessen, Sonnenschein, ein wenig relaxen. Gleich darauf steuerten wir die Vororte der Hafenstadt Tanger an. Weit oberhalb der Stadt liegt, mit Blick auf den Übergang des Atlantik in die Straße von Gibraltar und hinüber nach Spanien, der Phare (Leuchtturm) von Cap Spartel – stilgerecht mit Sonnenuntergang über dem Meer, extra für uns. Im Hotel in Tanger hat uns Europa schon fast wieder: Modernes Komforthotel mit neun Stockwerken und Tiefgarage.
Der zweitletzte Tag begann ruhig, spätes Frühstück, bis zum Fährhafen Tanger Med sind es nur rund 30 Kilometer auf der Küstenstraße, eine Kaffeepause unterwegs, einchecken bei Zoll und Polizei, warten aufs Schiff. Auf der Überfahrt nach Algeciras erwartete uns noch ein Highlight – hunderte Delphine kreuzen die Passage der Fähre. Dunkle, braune, große, kleine, alle auf dem Weg ins Mittelmeer. Und dann? Zurück in Málaga ziehen wir uns um, Motorradklamotten und Motorräder wurden gleich verladen und dann wurde im Restaurant der Abschied gefeiert und ausgiebig begossen – schließlich hatte alles unfallfrei geklappt, wir waren alle gesund und es gab jetzt wieder Schweinchen zu essen und Alkohol zu trinken. Ab dem nächsten Morgen flogen alle Teilnehmer wieder zurück nach Frankfurt, München, Stuttgart, Zürich, Düsseldorf …