Genussfahrt im Périgord

Das Périgord ist eine Region im Südwesten Frankreichs, etwas besser bekannt unter dem Namen des Departements, der Dordogne. Wir haben hier für einige Monate in der Umgebung der Stadt Bergerac mitten im Weingebiet Pécharmant Wurzeln geschlagen. 

Der Blick von der Terrasse unserer Unterkunft schweift über grüne Weiden, unendliche Reihen von Reben und kleine Inseln mit Mischwald. Die „Routes Departementales“, also die kleinen Nebensträßchen abseits der großen Nationalstraßen sind schmal und meist kurvenreich, also ideal für Genussfahrer wie wir es sind. Unsere beiden „Sternchen“ (Kawasaki Estrella) haben wir auf dem Anhänger mit nach Frankreich gebracht. Meist bleibt das Auto deshalb stehen, denn die Wege sind mit dem motorisierten Zweirad einfach besser zu machen, zumal man überall eine Lücke findet, die beiden Einzylinder zentral und meist kostenfrei abzustellen.
Eine unserer Lieblingsstrecken führt uns von Bergerac, das am Fluss Dordogne liegt und dem Département seinen Namen gab, in östliche Richtung zum Nebenfluss Vézère. Der untere Abschnitt dieses stark mäandernden Flusses ist aufgrund zahlreicher prähistorischer Fundstellen eine UNESCO-Weltkulturerbestätte und wird auch gern „das Tal der Menschheit“ genannt. Das Karstgebiet weist unzählige Höhlen und Halbhöhlen auf, in denen spektakuläre Knochenfunde gemacht wurden.
Außerdem entdeckte man hier im 20. Jahrhundert die ersten, von Menschen geschaffenen Gemälde in Tropfsteinhöhlen – die bekannteste davon ist die Grotte de Lascaux. Doch davon später mehr.

Fallert Achern Team

Bergerac mit Statue von Cyrano de Bergerac.

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Die Vézère entspring im westlichen Zentralmassiv und mündet nach rund 211 Kilometern in die Dordogne.

Wir nehmen von Bergerac aus die gemütliche D32 über Liorac, Ste-Foy-de-Longas nach Ste-Alvère. Die Rebflächen werden zusehends kleiner, hier findet man mehr und mehr Getreideanbau, saftig grüne Weiden und lichten Mischwald. Entlang des kleinen Bachlaufs der Louyre lässt es sich entspannt rollen. Doch Vorsicht ist geboten: die Einheimischen rechnen eher nicht mit entgegenkommenden Fahrzeugen und nehmen die gesamte Breite der meist einspurigen Nebensträßchen gerne komplett für sich ein! Am gefährlichsten sind tatsächlich die gelben Kastenwagen der Post, deren Fahrer haben es immer besonders eilig und weichen in der Regel überhaupt nicht aus! Darum heißt es „högschde Konzentration“, aber dennoch nicht den Blick auf die schöne Umgebung wie z. B. die Schlossruinen von Longas verlieren, die links auf einem Bergrücken zu sehen sind. Wir machen Halt in Ste-Alvère beim Bar–Tabac-Laden an der Hauptstraße. Vor dem einzigen etwas zurück versetzten Gebäude laden ein paar Tische unter Sonnenschirmen zum Verweilen ein. Wir holen unseren zweiten Morgenkaffee (kleine Snacks gibt es auch) drinnen an der Theke und plauschen ein wenig mit dem netten Barbesitzer. Bevor wir dann wieder in den Sattel steigen, schauen wir uns noch im Ort um. Reste eines alten Turms überragen die mittelalterlichen Häuserzeilen. Die Ruine ist alles, was noch von einer ehemaligen Burg aus dem 13. Jahrhundert übrig geblieben ist. An der Rue de la République fällt die kleine Markthalle vor der Kirche ins Auge: hier werden in den Wintermonaten die berühmten Périgord-Trüffel gehandelt.

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Das „Maison forte de ReignacW wurde bereits im 15. Jahrhundert erbaut.

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Lucia mit ihren „Sternchen“ – den quirligen Kawaski Estrellas.

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Les-Eyzies-de-Tayac-Sireuil ist bekannt für seine zahlreichen prähistorischen Stätten.

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Der „La Roque St-Christophe“ aus Kalkstein ist etwas 900 Meter lang und 80 Meter hoch.

Der Kaffee drückt auf die Blase. Ich bin froh, dass auch in Ste-Alvère, wie fast überall in den französischen Dörfern, ein „WC-Public“ die Bedürfnisse der Durchreisenden berücksichtigt. Dieses hier weist noch eine kuriose Besonderheit auf: die Herrenkabine wurde direkt über einen alten Brunnenschacht gesetzt, eine Plexiglasscheibe gewährt im wahrsten Sinne des Wortes tiefe Einblicke.
Wir rollen weiter auf der D32. Nach wenigen Kilometern macht uns ein Hinweisschild auf das „Musée Napoleon“ neugierig. Auf einem Hügel, umgeben von Bäumen thront eine hübsche zweigeschossige Villa, die einst von einer Urur…Enkelin des großen Napoleon aus dem Bonaparte-Clan bewohnt wurde. Die Erben machten aus dem Haus ein Museum, und so kann man heute die üppig ausgestatteten Räumlichkeiten mit zahlreichen Artefakten aus dem Familienfundus bewundern.
Nach Überquerung der D710 kurven wir nach Miremont hinüber und nehmen dann die D47 nach Les-Eyzies-de-Tayac-Sireuil, wo wir schließlich an den Fluss Vézère kommen. Der Ort liegt malerisch vor und teilweise sogar unter überhängenden Felsen, so genannten Abris. Dicht an dicht ducken sich die ockerfarbenen Häuserzeilen unter das Felsdach. Auf einer natürlichen Steinterrasse steht die überlebensgroße Skulptur eines Neandertales. Dort wollen wir hinauf. Also biegen wir in einen kleinen befestigten Weg ein, der direkt unter das Felsdach führt. War da ein Verbotsschild? Ich habe nichts gesehen… an einem direkt in die Felswand gebauten Haus endet die Fahrt, denn ab hier kommt man echt nur noch zu Fuß weiter. Wir stellen die Maschinen ab und genießen erst einmal den herrlichen Rundblick: unter uns das Dorf mit seinen pittoresken Natursteinhäusern. Dahinter zieht die träge fließende Vézère ihre Schleifen, und ein Nahverkehrszug überquert pfeifend die Eisenbahnbrücke.
Die Fahrt hat uns hungrig gemacht, also lassen wir uns direkt gegenüber vom Nationalmuseum auf der Terrasse des Restaurants „Au coup de Silex“ übersetzt also zum „Flintsteinbrocken“ nieder. Die Karte ist recht übersichtlich, was in dieser Gegend aber gar kein schlechtes Zeichen ist, denn es kommt in die Pfanne und auf den Teller, was Region und Jahreszeit gerade hergeben. Wir nehmen wie fast alle Gäste das Tagesmenü und erfreuen uns an kleinen Häppchen mit Foie Gras (Gänseleber) und Walnussbrot als Vorspeise. Als Hauptgang wähle ich die gebratene Entenbrust, mein Motorrad- bzw. Lebenspartner hat sich eine gebratene Entenkeule (Confit de Canard) auf den Teller legen lassen.
Dazu gibt es die in der hiesigen Gegend sehr beliebten „Pommes Sarladaises“, also Bratkartoffeln aus einer regionalen Sorte. Auch beim Dessert wählen wir unterschiedlich: ich bekomme ein Stück „Gateau aux noix“, also Walnusstorte serviert, mein Gegenüber haut den Löffel in die krachende Zuckerkruste einer „Crème caramel“. Ein hiesiger Rotwein zu all diesen Köstlichkeiten wäre fein gewesen, aber wir wollen ja wieder auf die Motorräder steigen und wissen, dass die Strafen für Verkehrssünder in Frankreich drakonisch sind. Man sollte keinesfalls glauben, dass die Uniformierten dieses großen Weinlandes bei Alkoholkontrollen „mal ein Auge zudrücken“! Die Promillegrenze liegt hier (wie in Deutschland) bei 0,5 ‰ und darf keinesfalls überschritten werden, sonst droht ein saftiges Bußgeld.
Wieder im Sattel lassen wir Les-Eyzies hinter uns liegen und nehmen beim zweiten Kreisverkehr in nördliche Richtung die Ausfahrt zur D706. Die Straße steigt hinter den Felsen an und windet sich in zahlreichen Kurven durch schattigen Wald bis zum Dörfchen Tursac. Vorbei am buddhistischen Zentrum und einer Gänsefarm folgen wir dem Sträßchen bis hinunter zum Fluss. Dort führt eine Brücke hinüber nach Lespinasse, doch diese lassen wir links liegen und folgen nun der D66 auf der rechten Uferseite immer am Waldrand entlang. Kurz nach der Stelle, wo die Straße wieder vom Wasserlauf weg führt, befindet sich linker Hand ein großer, schattiger Parkplatz. Fast wären wir an der Sehenswürdigkeit „Maison forte de Reignac“ vorbeigerauscht, die regelrecht in der monumentalen Felswand direkt gegenüber, also rechts von der Straße klebt. Höhlenwohnungen sind im Vézère-Tal, ja in der ganzen Region Périgord, weit verbreitet.
Dieses „befestigte Haus von Reignac“ ist ein tolles Beispiel einer solchen Wohnstätte, die bereits in prähistorischer Zeit besiedelt war. Die vorspringenden Felsen und die Grotten boten Schutz vor Witterung. Die meist erhöhte Lage über dem Flussniveau erlaubte es den Bewohnern außerdem, die Umgebung gut im Blick zu behalten, um sich rechtzeitig vor eventuellen Angriffen rüsten zu können. Im Haus von Reignac werden anhand zahlreicher Ausstellungsstücke alle Epochen der Besiedelung ausführlich dokumentiert und erklärt. Besonders beeindruckend finde ich die komplett mit Möbeln und Einrichtung ausgestatteten Räume des Gebäudes. Ein Feuer brennt im gigantischen Küchenkamin, Würste hängen im Rauch. Überall stehen und liegen nicht nur Küchengerätschaften herum, auch echtes Gemüse, Kräuter, Hülsenfrüchte etc. stehen bereit, als ob die Köchin gerade mal eben raus gegangen ist, um etwas zu holen. In den Wohnräumen ist der Tisch gedeckt, auf einem Schreibtisch liegen Papiere, Tintenfass und Feder neben dem Kerzenleuchter. Waffen, Wandteppiche und Gemälde schmücken die unverputzten Wände, die bergseits direkt aus dem Felsen geschlagen wurden. Im Schlafzimmer hängen prachtvolle Gewänder an einer Kleiderstange, das Nachthemd liegt auf dem Bett. Hinter den zur Flussseite orientierten Wohnräumen geht es in die natürlichen Höhlen, wo man Vorräte lagerte, und wo man aus den Bodenschichten Artefakte aus vorchristlicher Zeit ausgrub. Über steile Stufen gelangen wir schließlich auf die Felsterrassen der kleinen Festungsanlage und können den Blick über die liebliche Landschaft streifen lassen. Richtig gruselig wird es aber dann noch am Schluss der Besichtigungstour: ein Foltermuseum wartet mit einer beeindruckenden Sammlung von mittelalterlichen Quälinstrumenten auf. Die Verwendung der Geräte wird bis ins kleinste Detail beschrieben – das ist wahrlich nichts für schwache Nerven!

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St-Léon-sur-Vézère – ein für die Gegend typische, kleine Gemeinde mit etwas über 400 Einwohnern. 

Ich bin froh, als wir wieder ans Tageslicht gelangen und uns im Sonnenlicht der Gänsehaut entledigen und wieder auf die Estrellas steigen können. Die Straße folgt jetzt der Höhenlinie am linken Hügelrand und nach einer Linkskurve landen wir wieder unten am Wasser. Wir überqueren aber nicht die schöne alte Steinbrücke hinüber nach Le Moustier sondern nehmen den Abzweig rechts entlang einer nackten Kalksteinwand. Dort oben auf den ausgedehnten Felsterrassen befand sich bis ins 18. Jahrhundert hinein ebenfalls eine Höhlensiedlung, von der heute allerdings kaum noch etwas vorhanden ist. Aber man kann die Anlage des „Roque-St-Christophe“ selbstverständlich besichtigen und bekommt sogar Erklärungen in deutscher Sprache ausgehändigt, so dass alles verständlicher wird. Möblierte Räume gibt es hier zwar nicht zu besichtigen, aber eine recht anschauliche Sammlung nachgebauter mittelalterlicher Werkzeuge und Baugeräte, unter anderem ein Kran, der mit einer Laufrolle betrieben wurde.
Es ist Zeit für eine Pause. Am schattigen Parkplatz des Roque St- Christophe stärken wir uns am Imbiss „Les Delices de la Roque“. Die Holzhütte mit großer offener Theke liegt in einer engen Kurve der D66, das heißt man ist an drei Seiten umgeben vom Geschehen auf dem Asphalt. Schon bald hören wir daher das charakteristische Blubbern von Harleys, die sich nähern.
Es ist eine große Gruppe von mehr als zehn Maschinen mit meist französischen Kennzeichen. Auch drei gelbe Nummernschilder können wir erkennen, also sind auch Niederländer im Tross. Schön, dass sie alle es auch so gemütlich rollen lassen wie wir, anstatt die Kurven mit gefährlich überhöhter Geschwindigkeit zu nehmen! Die Raser sind natürlich auch unterwegs, die kriegen von der schönen Landschaft aber gar nichts mit und rufen mit ihren brüllenden Maschinen meist nur Kopfschütteln bei den anderen Verkehrsteilnehmern hervor. Unsere beiden bescheidenen Einzylinder sind dagegen leise Spaziergänger und erregen nicht nur aufgrund unserer deutschen Kennzeichen immer wieder Aufmerksamkeit, sobald wir sie irgendwo abstellen. Die beiden Retro-Motorräder sind ein Nachbau der legendären NSU-Max, aber halt mit zeitgemäßer Technik wie Elektrostarter und Scheibenbremsen. Oft kommen wir dadurch ins Gespräch mit Einheimischen, die wissen wollen, wie alt diese zwei, identisch aussehenden Motorräder wirklich sind.
Ein paar Kilometer weiter passieren wir eine schmale Brücke und sind im Bilderbuchdorf St-Léon-sur-Vézère. Dass dieses Dorf zu den schönsten Frankreichs gehört, wie einem Schild am Ortseingang zu entnehmen ist, fällt sofort ins Auge: die Häuser aus ockerfarbenem Bruchstein sind zwar alt aber gepflegt und sorgfältig mit Blumen geschmückt. Der Dorfplatz an der Kirche ist müllfrei und sauber geharkt. Kein modernes Werbeschild verunziert die Idylle. Es gibt nur wenige hundert Einwohner, aber zwei Schlösser, von denen eines besichtigt werden kann. Die schönsten Einkehrmöglichkeiten liegen in der Nähe vom Wasser. Während man ein erfrischendes Getränk genießt, kann man die Kanufahrer beobachten, die den Fluss bevölkern (der Bootsverleih ist gleich unterhalb der Brücke). Es gibt hier im Ort aber leider nur wenige Möglichkeiten, sein Haupt zu betten: entweder ganz edel und teuer im Château de Clerans (Zimmer ab 150 € aufwärts!) oder privat bei Sylvie, die in ihrem Haus an der Hauptstraße ein kleines „Chambre d’hôtes“, also ein Gästezimmer mit Frühstück anbietet. Man tut aber gut daran, dieses Zimmer vorab zu reservieren, denn St-Léon-sur-Vézère ist ein beliebter Touristenort.
Das Frühstück in Frankreich ist für uns … naja, nennen wir es mal bescheiden, wenn auch ausreichend. Natürlich geben sich insbesondere private Gastgeber Mühe, niemanden hungrig vom Tisch aufstehen zu lassen. Da steht der Bol mit einem Viertelliter Milchkaffee und ein Körbchen mit Baguettescheiben, dazu ein Kleckschen Butter und etwas Marmelade, oft hausgemacht und wirklich lecker! Aber zum einen werde ich mich nie an die großen Kaffeeschalen gewöhnen (in denen das Getränk auch noch viel zu schnell abkühlt!) und zum anderen verlangt mein Bauch tatsächlich morgens schon nach etwas Kräftigem, anhaltend Sättigendem. Dafür isst man in Frankreich gleich zwei Mal am Tag warm, nämlich mittags und abends. Es ist deshalb meistens kein Problem, über den Mittag irgendwo einzukehren und preiswert üppig zu speisen. Überall wird „Menu“ oder „Plat du Jour“ als „formule“, also etwas günstiger als abends angeboten. Das heißt, die Mittagskarte besteht entweder aus einem einheitlichen 2–3-Gang Menü oder einem Tellergericht. In den Gerichten werden meist marktfrische, regionale Produkte verarbeitet, und es wird zügig serviert, da die Küche sich ja nicht mit anderen Speisen à la Carte beschäftigen muss.

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Den spektakulären Nachbau der weltberühmten Grotte de Lascaux bei Montignac muss man auf jeden Fall besichtigen. 

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Ausgeruht und einigermaßen gestärkt rollen wir das Vézère-Tal weiter flussaufwärts vorbei an malerischen Schlössern, die größtenteils in Privatbesitz sind. In manchen kann man übernachten, wenn der Geldbeutel groß genug ist (Château de Belcayre), andere wie das Château de Losse öffnen ihre Pforten während der Saison für Tagesbesucher und vermitteln einen Eindruck davon, wie man vom Mittelalter bis ins Barock in diesen Gemäuern gelebt hat. Unser Ziel ist aber ein ganz anderes Highlight im „Tal der Menschheit“: der spektakuläre Nachbau der weltberühmten Grotte de Lascaux bei Montignac. Das lang gestreckte, futuristische Gebäude wurde in unmittelbarer Nähe des Original- Höhleneingangs am Lascaux-Hügel erbaut. Den entdeckten vier Jungen aus Montignac eher zufällig im September 1940. Sie staunten nicht schlecht, als sie mit einfachen Lampen die Wände rundum beleuchteten und unzählige farbige Tierdarstellungen sahen. Auch die Decke wies zahlreiche, im Flackern des Lichts unglaublich lebendig wirkende Tierbilder auf. Den Jungs war recht schnell klar, dass das hier etwas „Großes“ sein musste und informierten ihren Lehrer. Der wiederum machte alles richtig, indem er Fachleute hinzuzog, die letztlich feststellten, dass es sich hier um prähistorische Malereien handelte, die mehr als 20.000 Jahre alt sind. Die Scharen von Besuchern, die sich diese „Sixtinische Kapelle der Vorzeit“ anschauen wollten, schädigten mit ihrer Atemluft das Höhlenklima in der Folge aber so empfindlich, dass man die Höhle 20 Jahre später wieder schließen musste. Der Nachbau einer einzelnen Höhlengalerie in den 1980er Jahren (=Lascaux II), eine Wanderausstellung mit perfekten Kopien der Originalgemälde (=Lascaux III) und schließlich der komplette Nachbau der gesamten Höhle (=Lascaux IV) zieht inzwischen wieder jährlich zigtausende von Besuchern nach Montignac. Klar, dass man in der Hochsaison bzw. in Pandemiezeiten nicht einfach so hingehen, sich ein Ticket kaufen und hineinspazieren kann. Nur mit rechtzeitiger Anmeldung im Netz hat man die Chance, eine Führung durch die sehr authentisch wirkende Fake-Höhle machen zu können. Wir sind uns nach dem Besuch dann aber einig: der Besuch hat sich trotz erheblicher Ticketkosten (22 €/Person) auf jeden Fall gelohnt und ist eindeutig der Höhepunkt unserer Tour.
Wir schwingen uns wieder auf die Ledersättel und verlassen das Vézère-Tal über die D704 in Richtung Süden. Die Straße ist sehr gut ausgebaut, streckenweise fast wie eine Nationalstraße. Da kann man es mal laufen lassen und trotzdem die Landschaft genießen. Es geht viel durch Wald und an Matten und Feldern vorbei. Die kleinen Dörfer entlang der Strecke liegen eher von der Straße zurückversetzt. So sind wir schnell in Sarlat-la-Canéda angekommen, das in einem Talkessel liegt und dessen Attraktivität sich uns aufgrund der vielen Industrieanlagen und Zersiedelung nicht auf den ersten Blick erschließt. Brav folgen wir der Beschilderung in Richtung Altstadt und finden nach einigem Herumgekurve tatsächlich noch ein Plätzchen am Rande der Fußgängerzone für unsere beiden Estrellas. Das ist Glück, denn an Markttagen wie heute (Markttage sind Mittwochvormittag und Samstag ganztags) ist die 10.000 Einwohner zählende Kleinstadt regelrecht verstopft. Die Leute schieben sich durch die Rue de la République und über die verschiedenen kleinen Plätze, wo überall die Marktbuden aufgebaut sind und alles feilbieten, was der Mensch so braucht, oder auch nicht braucht. Hätten die Leute nicht ihre Mund-/Nasenmasken im Gesicht, könnte man in dem Gedränge glatt vergessen, dass noch die Pandemie herrscht, denn Abstand halten geht absolut nicht.

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Einladender Blick auf Montignac.

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Es ist Markttag in Sarlat-la-Canéda.

Nicht nur Lebensmittel wie frisches Obst und Gemüse, Käse- und Wurstwaren, Geflügel und Fleisch kann man hier kaufen, sondern auch Dinge des Alltags wie Küchengeräte, Pfannen und Töpfe, Kurzwaren, Stoffe, Kleidung und Schuhe. Außerdem noch jede Menge Kunsthandwerkliches, an dem Touristen ihre Freude haben (sollen). Wir lassen uns treiben, genießen die lebendige Marktatmosphäre und verweilen gerne an dem ein oder anderen Stand, einfach nur um die bunten Waren anzuschauen. Die gigantischen Flügeltüren der ehemaligen Kirche Ste-Marie sind weit geöffnet, im Innenraum bieten sich den Gourmets wahre Schätze: sämtliche Spezialitäten, für die das Périgord berühmt sind, können hier gekauft und teilweise auch probiert werden.
Allem voran natürlich Produkte von Gans und Ente. Die Foie Gras, also die fette Leber des Geflügels gibt es hier in allen möglichen Varianten, entweder pur, oder mit Trüffel, Kräutern oder Wein verfeinert. Man kann sich gleich vor Ort kleine Häppchen zusammenstellen lassen und diese mit einem Glas Wein im kühlen Kirchengewölbe genießen. Nur ein paar Schritte entfernt, die Gasse hinauf gelangen wir dann auf den „Place du Marchée aux Oies“, also auf den Geflügelmarktplatz und bewundern die lebensgroße Skulptur dreier Gänse in Bronze. Drumherum wunderschöne Hausfassaden: sämtliche Gebäude der Altstadt stammen aus dem Mittelalter oder der Renaissancezeit und sind sehr gepflegt, denn hier werden oft Historienfilme gedreht. Auch ein Filmfestival findet hier jährlich im November statt, also zu einer Zeit, in der sich die Touristen nicht mehr so sehr gegenseitig auf den Füßen rumtrampeln wie jetzt im Sommer.

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Das Château de Beynac in Beynac-et-Cazenac wurde auf einem schwer zugänglichen Kalksteinplateau im 12. Jahrhundert erbaut.

Tatsächlich haben wir bald genug von dem Trubel, zumal es uns nicht gelungen ist, in einem der zahlreichen Restaurants und Cafés einen freien Tisch zu ergattern. Also lassen wir die Sternchen wieder brummen und rollen weiter nach Südwesten, hinunter an den großen Fluss Dordogne, der dem Departement seinen Namen gab. Die beeindruckende Burg von Beynac ist unser nächstes Ziel. Sie klebt majestätisch wie ein Adlerhorst hoch oben auf einem mächtigen Felsen 150 Meter über dem Fluss. Unterhalb davon ducken sich die mittelalterlichen Häuser der Gemeinde Beynac-et-Cazenac dicht aneinandergedrängt. Bevor wir aber durch die belebte Gasse zur Burg empor steigen, müssen wir erst einmal unseren Durst löschen. Links vom großen Parkplatzes gegenüber des Camping Le Capeyrou lassen wir uns an einem Tisch auf der Terrasse der „Brasserie Panorama“ nieder und genießen ein kühles Bier. Eine kleine Kräftigung mit Pommes und Salat muss auch noch sein. Dann endlich fühlen wir uns fit genug, um zur Burg hinauf zu steigen.
In der weitläufigen Burganlage dürfen wir, ausgerüstet mit einem Audio-Guide, alles auf eigene Faust erkunden. Gigantisch ist der Ausblick Richtung Süden: man schaut auf den Fluss und die Landschaft ringsum. In der Ferne sind die gewaltigen Mauern der Burg Castelnaud zu sehen. Beide Burgen, also Beynac und Castelnaud, standen sich im 100-jährigen Krieg feindlich gegenüber. Die Dordogne war der Grenzfluss zwischen dem französischen Teil im Norden mit der Burg Beynac und dem englischen Teil mit Castelnaud südlich davon. Heute sind beide Burgen in Privatbesitz und für Besucher anschaulich restauriert und eingerichtet. Es macht richtig Spaß, diese Zeitreise ins Mittelalter anzutreten. Über den Audio-Guide erfährt man in seiner Muttersprache allerhand über das Leben in den verschiedenen Epochen seit Erbauung der Burg im 12. Jahrhundert. Auch profane Dinge wie Lebensmittelversorgung und Küche werden ausführlich erklärt. Nach der Burgbesichtigung spazieren wir noch ein wenig auf dem Felsenpfad, ehe wir uns wieder die Helme aufstülpen und unsere Fahrt auf der D703 in Richtung Westen fortsetzen. Die Sonne steht schon tief, und der Betrieb auf dieser viel befahrenen Verkehrsachse entlang der Dordogne nimmt merklich zu. Streckenweise geht es vom Fluss weg in hügeliges, kurvenreiches Gelände. Es gibt zum Glück an Steigungen immer mal wieder eine dritte Spur, so dass man nicht ewig hinter stinkenden LKWs ausharren muss, sondern auch mal Gas geben kann.
Schnell sind wir daher wieder in Bergerac und können uns in unserer Stammkneipe, dem „Café Pourpre“ einen Apéro in Form eines Biers gönnen, ehe wir Minuten später wieder an unserem Zuhause auf Zeit eintreffen.

Text und Fotos: © Lucia Vallerius 2021