auf zeitreise
Als die Einladung zur Vorstellung der neuen Mash X-Ride 650 auf den Tisch bzw. ins Email-Postfach flatterte, war die Freude
groß. Insgesamt war das Jahr 2020 coronabedingt an Präsentationen und Live-Vorstellungen ja recht mau und die X-Ride passte super in mein persönliches Beuteschema – ich mag klassische Einzylinder. Und so rollte ich mit meiner Honda X-ADV an einem Mittwoch im September entspannt Richtung Aachen bzw. ins limburgische Vaals, kurz hinter der Grenze zu den Niederlanden. Schon die Anreise hatte etwas vom Time Tunnel (erinnert sich jemand an die alte Serie?) – zuletzt 1989 fuhr ich mit dem Motorrad zum Uffz-Lehrgang (mil. Teil) nach Aachen. Die Braunkohlebagger fressen sich immer noch durchs Revier, die Uniklinik Aachen wirkt immer noch futuristisch und die Landschaft ließ Erinnerungen an den einen oder anderen Marsch aufflackern. Die Zufahrt zum Bilderberg Hotel Schloss Vaalsbroek – unserem Treffpunkt – versetzte einen im Tunnel direkt noch mal 200 Jahre nach hinten, das Hotel selbst ist innen aber auf modernstem Stand. Eine sehr schöne Location und das Objekt unserer Reise stand direkt im Rampenlicht: die Mash X-Ride 650. MASH – bitte nicht verwechseln mit M*A*S*H, der Fernsehserie um das Mobile Army Surgical Hospital aus den 1970ern – ist ein Markenname der französichen Firma SIMA (Société d’Importation de Motos et Accessoires), die als Generalimporteur auch verschiedene andere Motorradmarken vertritt. Die Marke Mash hat SIMA für den europäischen Markt kreiert und verkauft seit 2014 unter dem Namen Motorräder. Die Mash-Modelle sind klassisch gestylte Einzylinder von 50 bis 650 ccm, die von Shineray in China gefertig werden. Googelt man wiederum nach Shineray, findet man schnell einen der größten Motorradhersteller in China. Im Rahmen der Globalisierung haben Hersteller, Marke und Produktionsstandort eh nur noch bedingt eine Aussagekraft und die meisten Kunden kümmert es auch nicht sonderlich – funktionieren muss es! Shineray-Motorräder findet man auch anderswo in der Welt, als Eigenmarke oder z.B. als Crosby in Südafrika. Bei der Präsentation der 650er X-Ride legte SIMA allerdings großen Wert darauf, dass die Maschine in Frankreich entworfen wurde.
Minimalistisches Cockpit.
Wertige Sitzbank.
Die Optik der X-Ride erinnerte mich als Ducati Desert Sled Fan an eben diese, die ja wiederum unübersehbar bei der Yamaha XT 500 Anleihen genommen hat. Letztendlich völlig egal – gefallen muss es! Und da kann die Mash X-Ride 650 wirklich punkten. Rückt man ihr etwas auf den Pelz bzw. aufs Blech, finden sich ein paar Kritikpunkte, die man genau so auch an Bikes der 1980/90er Jahre kritisieren konnte. Manche Schweißnähte sind funktionell aber nicht schön, angepoppte Biegelaschen als Kabelhalter sind längst out und die Schaltereinheiten erinnern auch an vergangene Zeiten. Die Zeitreise geht also weiter. Einen alten Bekannten, über den ich mich hingegen sehr gefreut habe, weil seinerzeit bessessen, trifft man dann als Triebwerk der X-Ride wieder: Honda NX 650 Dominator. Ja, Shineray baut (u. a.) legal Honda Motoren nach. In den 500er Mash Modellen findet man z.B. den Single der XBR. Natürlich musste der Motor der Euro-4-Norm bzw. der ab nächstem Jahr geltenden Euro-5 angepasst werden. Statt Vergaser ist also Einspritzung angesagt und so kernig wie die alte Domi darf die X-Ride auch nicht mehr ballern. Dafür ist der Ölkühler, der damals bisweilen nachgerüstet wurde (z. B. von EGU), bei der Mash serienmäßig. Nach einem sehr gelungenen Abendbuffet – um die internationalen Jounalisten gnädig zu stimmen, witzelten ein paar Kradblatt-Facebook-User, die quasi live dabei waren – ging es am nächsten Morgen pünktlich um 9 Uhr los. Geführte Tour, erste Gruppe: die Deutschen (juhuu). Die Sonne versteckte sich noch, die Straßen waren zum Teil noch leicht feucht und vor allem erstaunlich kurvig. Unterwegs gab es mehrere Fotopunkte, wo wir uns austauschen konnten. Der 650er sprang dank seiner Delphi-Einspritzanlage klaglos und ohne dem früheren Choke-Gefummel an, lief direkt rund und ich fühlte mich sofort wohl auf der Maschine. Respekt hatte ich nur vor den neuen Reifen, die ich aufgrund des Profils zunächst irrtümlich als Pirelli Scorpion STR Rally identifiztierte – die fahre ich auf meiner X-ADV und mag sie sehr, nagelneu sind sie allerdings etwas tückisch. Entsprechend ging ich es vorsichtig an (wie bei allen neuen Reifen) und hatte keine Probleme. Groß war daher meine Überraschung, als der Reifen sich als Kenda aus chinesischer Produktion herausstellte und nicht als Pirelli STR. Ob da was gedealt wurde? Manche Kollegen monierten, beim Raushämmern aus Schräglage würde der Reifen etwas rutschen und böte nicht genug Rückmeldung, aber mal ehrlich: morgens, stellenweise leicht feucht und kühler Asphalt, da hämmere ich auch privat nicht ums Eck.
Aktuelle Lichttechnik an Front und Heck.
Nachmittags, trocken und Sonne habe ich es selbst ausprobiert und ja, natürlich kann man den Reifen überfordern. Bei einem anstehenden Wechsel könnte man dann ja den STR oder reine Straßenreifen ausprobieren. Die X-Ride läuft trotz Enduro-Optik vorne (120/70) wie hinten (150/60) auf straßenorientierten 17-Zoll Rädern, also eher im typisch französischen Super-Motard-Style. Als Endurofan würde ich mir zumindest vorne ein größeres Rad mit schmalerem Reifen wünschen und Mash hat da auf Rückfrage auch was in Planung. Insgesamt empfand ich die X-Ride bei einem Ausflug auf eine Wiese weniger endurolastig, als sie aussieht – sie ist mehr ein Spaßmobil für die Landstraße, das aber auch mal einen Feldweg locker wegsteckt. Dazu passt der Kunststoff-Motorschutz, der aufgewirbelte Steinchen sicher abhält, auf einen Felsbrocken oder Baumstamm möchte ich ihn aber nicht aufsetzen. Offroad-Potential ist aber durchaus vorhanden. Die Sitzposition passt mir (174 cm) sehr gut, die Sitzhöhe von 840 mm erscheint auf dem Papier höher als in der Praxis. Die schmal bauende Sitzbank trägt dazu ebenso bei, wie das persönliche Schrittbogenmaß. Ein breiterer Teutonenhintern dürfte allerdings Komforteinbußen verzeichnen und mit Sozia gehts wohl eher zur Eisdiele als an die Côte d’Azur (Solo kein Problem, ging mit der Dominator damals ja auch). 163 kg gab Mash bei der Präsentation als Trockengewicht an, 12 Liter fasst der Tank, 180 kg vermeldet die deutsche Mash-Website. Die Bremsanlage der 650er X-Ride mit der fetten 320 mm Einzelscheibe und dem Radialsattel vorne sieht mächtig aus, bremst aber nicht so brutal wie man vermuten würde. Mir reichts auch ohne schärfere Beläge und langt man ordentlich rein, spürt man das leichte Verdrehen der Gabel … Zeitreise. Das Bosch-ABS funktioniert ordentlich und ist im Gegensatz zu den ABS-losen Bikes von damals ein echter Pluspunkt. Für Geländeeinsätze lässt es sich dankenswerterweise hinten abschalten. Motorleistung bewerte ich persönlich ja nicht sonderlich hoch, ist aber bei vielen ein Thema. Die 650er X-Ride lässt maximal 40 Pferde bei 6.000 U/min gallopieren, die Ur-Domi brachte es auf fünf mehr bei gleicher Drehzahl. Das passt angesichts der heutigen Zulassungsverschärfungen schon und entsprechend trabt die X-Ride durchaus zügig an. Den kleinen Drehzahlmesser braucht man nicht, das Popometer reicht, um die Schaltpunkte zu finden. Fällt die Drehzahl im letzten Gang unter 3.000 U/min, hackt der Motor an der Kette. Das Getriebe schaltet sich einwandfrei, lediglich die Handkraft für die Kupplung fällt etwas höher aus, als erwartet. Im Gegensatz zum Handbremshebel ist der Kupplungshebel nicht einstellbar. Für meinen Geschmack ist die X-Ride 650 etwas zu lang übersetzt, was sicherlich der Homologation geschuldet ist – man kennt das ja von anderen Motorrädern. Nun hatte Mash bei der Präsentation fast den gesamten Fuhrpark dabei, darunter auch die lässige 650 Dirt Track. Die war für einen Sporteinsatz kürzer übersetzt und genau so würde ich mir meine X-Ride umritzeln – natürlich nur für Sportzwecke außerhalb der STVO <hüstel>. In dem Zusammenhang ist übrigens das Online-Tool „Gearing Commander“ (www.gearingcommander.com) empfehlenswert, wo man unterschiedliche Übersetzungen durchspielen kann. Auf jeden Fall fuhr sich die Dirt Track so spritzig, wie ich mir den Einzylinder vorstelle und eine hohe Endgeschwindigkeit braucht bei der aufrechten Sitzposition eh niemand.
Was mir sonst noch aufgefallen ist? Schicke LED-Beleuchtung inkl. Tagfahrlicht. Die Elektrik unter der Sitzbank präsentiert sich erstaunlich aufgeräumt, einzelne Verbindungen im Kabelbaum könnte man aber eleganter lösen. Das rudimentäre Mini-Cockpit mit analogem Drehzalmesser und digitaler Anzeige für Geschwindigkeit, Tankinhalt und Gesamtkilometer ist besser ablesbar, als man vermutet – ein Tageskilometerzähler, Uhrzeit oder andere, zum Fahren nicht maßgebliche Infos fehlen. Den einstellbaren Lenkanschlag könnte man als kreativ bezeichnen – einfache, gekonterte Schrauben reichen den Franzosen/Chinesen, der Wendekreis ist dafür angenehm klein. Nicht nur einer X-Enduro-Variante würden Faltenbälge gut stehen. Der stabile Gepäckträger ist serienmäßig. Die Hinterradschwinge ist richtig schick und auf goldene Felgen stehe ich sowieso. Eine Traktionskontrolle fehlt, vermisst habe ich sie nicht. Der Sound ist gut ohne dabei aufdringlich zu sein – eine krawallige Klappensteuerung fehlt glücklicherweise.
Der Motor: ein Honda NX 650 Dominator.
Alles in allem haben Mash und Shineray da ein wirklich tolles Motorrad für alle Fans von einfachen, ehrlichen Einzylindern auf die Räder gestellt. Ein Segment, das die Japaner leider irgendwie aus den Augen verloren haben. Der Charme der 1980/90er Jahre (inkl. ein paar Schönheitsfehlern), dazu mit Einspritzung, ABS und LEDs eine Prise Alltagstauglichkeit aus dem Diesseits – eine gelungene Zeitreise zu einem UVP von 6.164 € inkl. Lieferkosten und mit zwei Jahren Garantie. Für so manche gebrauchte XT500 wird heute ein höherer Preis aufgerufen; die kann nichts besser, hat dafür dann aber immerhin einen Kickstarter …
Fotos: MASH
Der Autor Marcus Lacroix vom Kradblatt auf Testfahrt.
Über den AUTOR
Marcus Lacroix
Inhaber und Verleger des Kradblatt, eines der Schwesternmagazine des bmm.
Fährt privat unter anderem eine Energica EsseEsse und eine Honda X-ADV.
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