In Franken war Mathias Thomaschek von unserem Schwesternblatt ZWEIRAD aus Fürth mit einer mobilen Motorradkontrollgruppe unterwegs. Folgend sein interessanter Bericht.

Die Diskussion um Raserei und Lärm bei den Motorradfahrern hat in den letzten Monaten massiv an Fahrt aufgenommen. Und die Polizei hat nachgerüstet. Zum Beispiel mit mobilen Kontrollgruppen, die sich speziell mit der Technik von Motorrädern auseinandersetzen. Aber was passiert eigentlich bei einer solchen Kontrolle? Und was ist an den Internetforendiskussionen dran, wo immer noch behauptet wird, dass Motorräder mit einer Laserpistole gar nicht zuverlässig gemessen werden können, weil sie ja vorn kein Nummernschild tragen? Im Internet grassieren dazu die wildesten Theorien. Ich will es mit eigenen Augen sehen und treffe mich deshalb mit einem knappen Dutzend Beamten in Rambach, einem westlichen Vorort von Schlüsselfeld. Mitten im Ort bietet sich eine längere Parkspur für die Kontrolle, amtlich auch Anhaltung genannt, geradezu an. Einige Einwohner betrachten das Treiben, kommentieren es und haben an diesem Freitag im Juli eine nette Abwechslung. Heute ist aber nicht nur eine der oberfränkischen Motorrad-Kontrollgruppe aktiv, sondern auch eine Gruppe, die dazu die Geschwindigkeit aller Verkehrsteilnehmer mittels Laserpistole überwacht. Zunächst interessiert mich aber was die Beamten für Biker aus dem Verkehr filtern. 

Roller mit Schrankwand

Als Einstand einen auswärtigen Großrollerfahrer, der allein schon aufgrund seiner voluminösen Anbauten das Interesse der Beamten weckt. Er sei, erzählt er mir hinterher, von Pfaffenhofen kommend Richtung Norden bis an die Küste unterwegs, spule jedes Jahr ein paar zehntausend Kilometer herunter. Das erklärt auch seine Schrankwand auf dem Gepäckträger und zahlreiche Zusatzinstrumente am Lenker. Wer viel unterwegs ist, hat logischerweise auch viel dabei. Seine Papiere sind in Ordnung, auch der handwerklich ordentlich gemachte Aufbau bietet keinen Grund zur Beanstandung. Koffer und Topcases sind Anbauteile, die grundsätzlich keiner Eintragungspflicht unterliegen. Nur sicher befestigt müssen sie sein und den Fahrer nicht behindern. Was er von derartigen Kontrollen hält, frage ich ihn wie alle anderen, die an diesem Nachmittag noch hier stoppen müssen. Alle Antworten sind gleich: „Ich finde sie gut, eigentlich müsste viel öfter kontrolliert werden, damit die schwarzen Schafe noch viel schneller rausgefiltert werden.“  Wohlgemerkt, das sind die Antworten von Betroffenen, die man gerade für rund fünf bis zehn Minuten am Fortkommen gehindert hat. Waren das jetzt nur lauter Gute – oder setzt mittlerweile vor der Diskussion um Streckensperrungen und temporären Fahrverboten wirklich eine Trendwende in der Denke der Biker ein?

Alles – außer einen Lappen

Inzwischen haben die Beamten einen 50er Rollerfahrer gestoppt, der auf seinem mit ziemlich rustikaler Nachlackierung versehenem Gefährt des Weges kommt. Der Mann hat einen Helm auf, er trägt sogar eine Warnweste und kann für das Fahrzeug gültige Papiere vorweisen. Was er allerdings nicht hat, ist ein Führerschein. Und weil es sich bei seinem Gefährt nicht um ein Mofa handelt, muss er seinen Roller nach Hause schieben, das allerdings nicht allzu weit weg ist. Alles andere kommt mit der Post. So geht es Schlag auf Schlag; die Beamten ziehen jeden vorbeikommenden Motorradfahrer raus, kontrollieren freundlich aber sorgfältig und zeigen durch gezieltes Fragen klar, dass sie von der Materie Ahnung haben. Etwas Spektakuläres passiert an diesem Nachmittag aber nicht mehr. 

Hat Whatsapp schon gepetzt?

Wahrscheinlich hat sich die Meldung über die Kontrolle längst über die sozialen Meiden verbreitet. Deshalb wechselt die mobile Kontrollgruppe gerne auch mal schnell die Lokalität und taucht ein Stunde später ganz woanders auf. „Kontrolldruck“ nennt die Behörde dieses Katz-und-Maus-Spiel und signalisiert so Heizern und Lärmern: Rechne ständig mit uns, und fahr anständig. Wir können nämlich plötzlich dort sein, wo wir vor zehn Minuten noch nicht waren. Endlich wird ein Knieschleifer im Renngewand auf einem Supersportler mit Nachrüst-Auspuff gestoppt. Spektakuläre Bildern vom beschlagnahmten Bike am Abschlepperhaken gibt es aber nicht. Für den Endtopf existieren entsprechende Papiere und eine eingelaserte E-Nummer.  Trotzdem machen die Beamten mit Einverständnis des Fahrers („für die Presse“) eine Lärmmessung. Dafür geht es ein paar hundert Meter weiter ans Ortsende von Rambach. Erst hier ist die Fläche entsprechend offen, um eine gesetzeskonforme Messung durchführen zu können. Mitten im Ort wäre das Messergebnis durch Reflexionen von Hauswänden und Mauern verfälscht worden. Auch jetzt hält der Endtopf, was die Papiere versprechen. Alles im grünen Bereich. Ich treffe einen Anwohner, der genau hier am Ortsausgang Richtung Geiselwind wohnt. Die Polizisten hatten ihn mir bereits angekündigt, weil es von ihm wiederholt Beschwerden gab. Ich hatte mich vorsorglich schon mal auf einen Menschen eingestellt, der mir sicher zuerst erklärt, was er von jemandem hält, der eine Motorradzeitung macht. Also auch „zu denen“ zählt. Genau das Gegenteil ist der Fall. Der Mann um die 50 ist gut gelaunt, freut sich, dass ihm jemand von der Presse zuhört und erzählt, dass er früher selbst eine Ducati gefahren sei. Er weiß also, von was er redet, wenn er erklärt, dass auch für ihn vom Motorradfahren eine gewisse Faszination ausgeht. Es kommt noch schlimmer: Einen Porsche hätte er in der Garage, irgendwas Wildes mit legalem Klappenauspuff. Aber, so beteuert er (und ich glaube ihm das), damit ballere er nicht durch die Ortschaften. Schließlich wüsste er ja, wie dieser Lärmterror wirke. Was er deshalb nicht versteht, sind Zeitgenossen, die – weil sich nach dem Ortsaugang ein schöner langer und übersichtlicher Straßenverlauf anschließt, schon 100 m vor dem Ortsschild herunterschalten und damit genau vor seiner und den Terrassen der Nachbarn eine Beschleunigungsorgie bis in den Begrenzer zelebrieren müssen. „Sie können gerne auf einen Kaffee zu mir kommen, und sich das am Wochenende selbst anhören,“ lädt er mich freundlich ein.

Lärmterror im Dreißigsekundentakt

Ich frage ihn, wie viel derartige Belästigungen es im Durchschnitt pro Stunde gäbe? Er schaut mich zuerst verständnislos an und meint: „Pro Stunde? Das geht hier bei schönem Wetter in 30 Sekundentakt von früh bis abends.“ Und Autos wären auch etliche dabei. Der Supersport-Fahrer hat inzwischen seine Papiere wieder eingesteckt, den Helm aufgesetzt und macht sich startklar. Allein, wie er jetzt demonstrativ beschleunigt (gerade fand ich ihn noch ganz nett), macht mir klar, was der Bürger auf seiner Terrasse aushalten muss. Ich verzichte daher auf einen Besuch zum Kaffeetrinken. Wer erlebt, welchen Lärm ein hochdrehender Supersportler auch mit legaler Auspuffanlage fabriziert, weil der Motor in den unteren Gängen in Regionen über 12.000 Umdrehungen geprügelt wird, bei dem steigt das Verständnis für den Hass von Leuten, die diesem Krawall bei schönem Wetter jedes Wochenende ausgesetzt sind. Die können nicht weg, die wohnen dort! Da stellt sich einfach die Frage, warum Motorradfahrer, wenn es schon unbedingt mit Hurra aus der Ortschaft hinausgeht, nicht noch warten können, bis sie die letzten Häuser wenigstens ein paar hundert Meter entfernt sind. Gedankenlosigkeit, „Ist-mir-doch-egal“-Mentalität? Oder beides? 

Der Radar im Bushäuschen

Da war ja noch die Sache mit der Radarmessung. Der Messbeamte hat sich in einem Bushäuschen und damit für die aus Schlüsselfeld kommenden Verkehrsteilnehmer mehr oder weniger unsichtbar platziert. Die konzentrieren sich heute sowieso mehr auf die andere Straßenseite, wo deutlich sichtbar mehrere Polizeifahrzeuge parken. Aber was ist nun dran an der Zuverlässigkeit von Lasermessungen bei Motorrädern. Ich erfahre zuerst, dass nicht jeder Polizist einfach so mit einer Laserpistole wild in der Gegend herummessen kann und darf. Schulungen, Zertifikate und Weiterbildungen sind gesetzlich genau vorgeschrieben. Aber was hilft das, wenn die Pistole falsch misst?  Auch hier kommt eine eigentlich logische aber dennoch verblüffende Antwort: wenn die Pistole falsch misst oder einfach zu wenig Laserstrahlen einwandfrei reflektiert werden, wenn also nur der Verdacht besteht, dass das Ergebnis nicht wasserdicht sein könnte – dann wird keine Geschwindigkeit angezeigt. Egal wie schnell das Auto oder Motorrad auch vorbeirauscht, weil keine Geschwindigkeit angezeigt wird, kann man den Fahrer auch nicht rechtssicher belangen. Wird aber korrekt gemessen, liefert das Gerät digital Messdistanz und  Geschwindigkeit, von der nur noch ein kleiner Toleranzwert abgezogen wird. Absolut wasserdicht und gerichtsverwertbar. In Ermangelung eines Frontkennzeichens wird beim Motorrad der Scheinwerfer anvisiert. Anfänglich gab es mit den in Mode gekommenen Minischeinwerfern eine größere Quote nicht verwertbarer Messungen, inzwischen hat auch hier der Hersteller nachgelegt. Das Gerät stammt übrigens ausgerechnet aus Österreich, also einem Land, in dem bis vor nicht allzu langer Zeit die Geschwindigkeit vom Gendarmen per Schätzung ermittelt wurde. Die Laserpistole funktioniert bis auf 1.000 Meter Distanz. Oder anders gesagt: Bis du siehst, dass er dich misst, weiß er schon, was zu zahlen ist.

Einfach draufhalten geht nicht

Allerdings kann die Polizei nicht einfach aufbauen, einschalten und losmessen. Ich bekomme ein Prüfprotokoll gezeigt, dass ähnlich wie eine Checkliste beim Flugzeug grundsätzlich vor und nach jeder Messung peinlich genau ausgefüllt und abgearbeitet werden muss. Dazu gehört beispielsweise auch die Kontrolle, ob das Schild für die Geschwindigkeitsbegrenzung überhaupt noch vorhanden ist. Könnte ja am Tag zuvor umgefahren worden sein. Dieses Prozedere mit vielen weiteren Prüfpunkten wird vor und nach jeder Messung peinlich genau dokumentiert. Sollte es zu einem Rechtsstreit mit dem Gemessenen kommen, wird der Richter als erstes neben dem Schulungsnachweis des Beamten auch dieses Messprotokoll verlangen. Nur wenn alles fein säuberlich dokumentiert ist, steht einer Verurteilung nichts mehr im Weg – und die Behörde nicht als zweiter Sieger da.

Dann doch besser abhauen?

Also einfach nicht anhalten, vorher abbiegen oder umdrehen? Hilft auch nichts, denn ein zweiter und dritter Beamter hat längst das Kennzeichen, dazu Typ und Farbe des Motorrades erfasst. Und wer bei einer Kontrolle durchgeht, hat eh schlechte Karten und immer einen guten Grund:  einen offenen Haftbefehl in der Küchenschublade, ein geklautes Motorrad unter dem Hintern oder Alkohol/bewusstseinserweiternde Substanzen im Blut.

Wir sind die Guten!

Während der eineinhalb Stunden, die ich an der Kontrollstelle verbringe, wird zu unserer Ehrenrettung kein einziger Biker mit überhöhter Geschwindigkeit gemessen. Einzig ein Autofahrer glaubt, zwischen den beiden Ortschaften bei Tempolimit 50 km/h Tempo 80 fahren zu müssen. Er wird vier Wochen lang als Fußgänger den Beamten keine Chance bieten, ihn noch einmal zu messen. Zum Schluss frage ich – und darf auch einmal selbst probieren. Merke aber schnell, dass der Umgang gerade auf größere Entfernungen gar nicht so einfach ist. Ich brauche sieben oder acht Anläufe, bevor das Gerät bei mir die erste Messung anzeigt. Naja, vielleicht liegt das ja auch daran, dass ich als Ungedienter lieber mit Worten statt Laserstrahlen schieße. Was mich noch beeindruckt ist die Tatsache, dass bei der Motorradkontrollgruppe erkennbar Polizisten arbeiten, die selbst einen Bezug zum Motorradfahren haben. Und – fragt man sie nach Marke und Typ ihrer Privatmaschine – keinesfalls zur klapphelmtragenden Tourenfahrer oder Chopperfraktion zählen. Entsprechend locker ist der Umgangston mit den Bikern. Was die Beamten allerdings bei aller Seelenverwandtschaft gar nicht abkönnen, sind endlose Diskussionen über Dinge, die sie nicht entscheiden, sondern nur durchzusetzen haben. Tatsache ist, dass aufgrund der momentanen Situation Staatsanwaltschaft und Ministerium auch für Außenstehende erkennbar die Zügel straffen werden. Aber es liegt oft im Ermessen des Beamten in Zusammenarbeit mit dem diensthabenden Staatsanwalt, ob der Fahrer „nur“ ein Ticket erhält oder ob der Abschlepper anrückt. Inzwischen ist die Sicherstellung technisch manipulierter Bikes nämlich nicht mehr die Ausnahme, sondern wird immer öfter zur Regel. Und was ist peinlicher, als sich vor allen Kumpeln von Freundin oder Eltern am Sonntagnachmittag irgendwo aus der Fränkischen abholen lassen zu müssen? Da wird der Zeitsprung vom Hero zum Zero plötzlich sehr kurz.
Allerdings darf dann auch die Frage gestellt werden, wer denn mit dem ganzen Mist angefangen hat…

Bilder: Alex Czech, Mathias Thomaschek

Über den AUTOR

Mathias Thomaschek

Ist Herausgeber des ZWEIRAD aus Fürth. ZWEIRAD ist wie das bmm jeden Monat kostenlos erhältlich. 

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