Eine Tour auf den Spuren König Ludwigs II. von Bayern quer durch das Allgäu überzeugt mit geschichtsträchtigen Sehenswürdigkeiten, fantastischen Strecken, zahlreichen Kurven und atemberaubend schöner Natur. Viel zu schade, um die Strecke zügig zu durchfahren.  

Von Guido Schmidt

Ob Mitte Juni die beste Reisezeit für die geplante Tour durch’s Allgäu mit dem Highlight Schloss Neuschwanstein ist, kann ich nicht beurteilen. Ich habe jedenfalls allerschönstes Motorradwetter, azurblauer Himmel, hier und da ein paar weiße Wolken und fast durchgehend aalglatter Asphalt unter den Rädern. Einziger Nachteil für Pollenallergiker wie mich, dass mein Heuschnupfen scheinbar gerade in diese Gegend äußerst aktiv ist. Die auf den saftigen Almen frisch gemähten Gräser tun ihr Übriges. Aber das ist Jammern auf hohem Niveau, entschädigt doch die einmalige Landschaft, die im satten Grün daherkommt für alles.
Ich reise schon am Vortag meiner geplanten Königstour beim Hotel Bergblick in Scheidegg an. Ein mit vier Helmen klassifiziertes moho-Hotel, welches ruhig und fernab des Massentourismus auf einer Anhöhe oberhalb von Scheidegg liegt. Scheidegg liegt in Schlagweite des
Bodensees und der Allgäuer Alpen und im Dreiländereck von Deutschland, der Schweiz und Österreich. Die nächstgrößere Ortschaft heißt Lindenberg – den kennt man, wenn man gerne Käse isst. Idealer Ausgangspunkt also, um am nächsten Tag die rund 220 Kilometer lange Allgäuer Königstour zu starten.
Ich werde herzlich von Helga Tronsberg, der Chefin des Hauses, empfangen und bekomme ein stilvoll eingerichtetes Zimmer mit Blick auf die Allgäuer Alpen. Mein Motorrad stelle ich sicher in der hauseigenen Garage ab. Nach einem gemütlichen, reichhaltigen Frühstück am nächsten Morgen starte ich zur geplanten Tour. Josef, Chef des Hauses und geprüfter Tourguide, hat mir die Route in digitaler Form als GPX-File zur Verfügung gestellt. Dann kann ja nichts mehr schief gehen.

Fallert Achern Team

Idylle pur: Der Große Alpsee lädt auf einem kleinen Parkplatz zu einer Pause ein.  

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Tradition verpflichtet: Fast in jeder Ortschaft steht ein Maibaum, wie hier in Missen-Wilhams ein besonders schönes Exemplar. Richtig traditionell wird es, wenn der Maibaum mit reiner Muskelkraft aufgestellt wird. Das Maibaumstellen ist immer mit einem kleinen Volksfest am 1. Mai verbunden. 

Ich fahre auf sehr gut asphaltierten Nebenstrecken in stetigem Bergauf und Bergab und schön geschwungenen Kurven Richtung Immenstadt im Allgäu zum ersten größeren Highlight. Das Allgäu ist nicht nur für seine märchenhaften Schlösser und Burgen bekannt, sondern punktet auch in Sachen Seen. Ein größerer davon ist der Große Alpsee. Er wird im Westen vom kleinen Teufelssee und im Osten vom kleinen Alpsee eingerahmt. Doch bevor ich den Großen Alpsee erreiche, zwingt mich in Missen-Wilhams ein besonders schönes Exemplar eines Maibaums zum Stopp. Fast in jeder Ortschaft gibt es die teils prächtig ausgeschmückten Maibäume zu sehen. Traditionell bringen die Maibäume symbolisch in der Nacht vom 30. April auf den 1. Mai den Wohlstand und den Zusammenhalt der jeweiligen Gemeinde zum Ausdruck. Geschmückt werden die Maibäume mit bemalten Schildern von ortsansässigen Handwerkern und Vereinen.
Ich erreiche den Großen Alpsee. Auf einem wahrscheinlich extra dafür angelegten Parkplatz habe ich einen herrlichen Blick auf den im satten Blau schimmernden See. Ich lege hier einen Fotostopp ein und genieße die Aussicht.
Bei Immenstadt im Allgäu überquere ich die Iller, die hier noch ganz jung und ursprünglich ist. Der Ursprung der Iller liegt nördlich von Oberstdorf und sie mündet schließlich nach 147 Kilometern bei Ulm in die Donau. Am Grüntensee vorbei erreiche ich Nesselwang. Die kleine Ortschaft mit nur rund 4.000 Einwohnern präsentiert sich mir von oben mit ihrem markanten Kirchturm der St. Andreas Kirche. Die zwiebelartige Kirchturmspitze sehe ich auf meiner Tour noch öfter. Auf meiner Fahrt Richtung Tour-Highlight, dem Schloss Neuschwanstein, erreiche ich Füssen. Über Füssen thront das Hohe Schloss im gotischen Baustil auf einem Hügel über der Altstadt. Die Burganlage gilt als eine der am besten erhaltenen Anlagen Bayerns. Ich parke mein Motorrad auf dem großen Parkplatz am Fuße der Burg und habe ich einen fabelhaften Blick auf das beeindruckende Gebäude. Von hier ist es nicht mehr weit bis zum Schloss Neuschwanstein und in unmittelbarer Nähe zum Schloss Hohenschwangau.

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Typisch Allgäu: In Nesselwang ragt die Kirchturmspitze aus dem Häusermeer hervor. Solche zwiebelartigen Kirchturmspitzen finden sich häufig im Allgäu. 

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Geschichtsträchtig: Das Hohe Schloss in Füssen gilt als eine der am besten erhaltenen Anlagen in Bayern.  

Das Schloss Neuschwanstein wurde im 19. Jahrhundert von König Ludwig II. von Bayern in Auftrag gegeben und war als privater Rückzugsort für den König gedacht. Erbaut ist das Schloss im Stil der Neugotik. Das Schloss ist bis heute nicht vollständig fertigestellt. Der Bauherr König Ludwig II., auch bekannt als der „Märchenkönig“ lebte nur wenige Monate im Schloss, bevor er im Jahr 1886 als geisteskrank erklärt und entmündigt wurde. Er starb im selben Jahr unter mysteriösen, bis heute nicht geklärten, Umständen.
In nächster Nähe des Schloss Neuschwanstein liegen viele kleine und große Seen. Einer davon und der größte ist der Forggensee. Der flächenmäßig größte Stausee Deutschlands wird vom Lech durchflossen. Er dient in erster Linie der Stromgewinnung durch die lechabwärts gelegenen Wasserkraftwerke. Den Forggensee umrunde ich zur Hälfte von der Ostseite und fahre durch einen Ort, dessen Namen mir irgendwie bekannt vorkommt: Kniebis. Kniebis Alexanderschanze ist bei einigen Lesern sicherlich ein Begriff. So kann ich mich rühmen, beide Ortschaften mit dem Namen Kniebis schon einmal besucht zu haben. Wie eine Schlange windet sich die Straße um die Seenplatte. Hier ein See, dort ein See, deren Namen ich mir sicherlich nicht merken kann. An einem idyllischen Kiosk direkt am Ufer des Forggensees mache ich eine etwas längere Rast und genieße die Aussicht bei einer Allgäuer Bratwurst und einem Johannisspritzer (Johannisbeerschorle).
Über die Hälfte meiner Tagestour habe ich hier absolviert. Mich erwarten sicherlich weitere herrliche Landschaften und schwungvolle Kurven. Die zweite Halbzeit steht landschaftlich der ersten in nichts nach. Kleine, idyllische Dörfer, jedes mit teils markanten, von weitem sichtbaren Kirchturmspitzen buhlen um Aufmerksamkeit. Die 30er-Zonen haben auch hier in den meisten Ortschaften schon Einzug erhalten. Meist unter der Prämisse Lärmschutz. Kleiner Exkurs: Studien belegen, dass Tempo 30 in Ortschaften zu mehr CO2-Emission führt, als Tempo 50, da der Spritverbrauch bei Tempo 30 höher ist. Aus diesem Grund versuche ich immer, mit dem größtmöglichen Gang eine Ortschaft zu durchfahren – egal ob aus Lärmschutz- oder Emissionsgründen.

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Neuschwanstein-Shuttle der besonderen Art: Wer mag, kann sich ganz stilgerecht zum Schloss Neuschwanstein befördern lassen.  

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Historischer Ort: An dieser Stelle fand 1460 die Schlacht von Buchenberg statt.  

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Vorstufe zur Ökostromerzeugung: Der Forggensee speichert Wasser für die lechabwärts gelegenen Wasserkraftwerke.

Ich umfahre Kempten, die Hauptstadt des Allgäus mit etwas über 70.000 Einwohnern, südlich. In Buchenberg, einer kleinen Ortschaft mit rund 4.200 Einwohnern, steht eine geschichtsträchtige Kapelle, die Sankt-Georgs-Kapelle. Wo die Kapelle steht, siegten am 17. März 1460 334 Eidgenossen über 1.300 Mann des Fürstabtes Gerwig von Kempten in der Schlacht von Buchenberg. Wobei deren Hauptmann Walther von Hohenegg mit den Worten fiel: Heut’ Walther und nimmer mehr.
Das Thermometer an meinem Motorrad zeigt 28 °C Lufttemperatur an. Zwar laden mich auch die beiden Holzbänke vor der Kapelle zum Verweilen ein, ich bevorzuge aber lieber den schattigen Platz unter dem Baum neben der Kapelle. Endspurt. Zwei Sightseeingobjekte stehen noch auf dem Plan: die St. Peter und Paul Kirche in Lindenberg und zum Schluss noch ein Besuch bei den Scheidegger Wasserfällen. Die St. Peter und Paul Kirche in Lindenberg steht unter Denkmalschutz. Sie wird auch als Westallgäuer Dom bezeichnet und macht diesem Namen auch alle Ehre. Eingebettet im Stadtkern von Lindenberg sticht sie schon von weitem hervor. Erbaut wurde die Kirche Anfang des 20. Jahrhunderts. Ein architektonisches Meisterwerk, wie ich finde.

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Die St. Peter und Paul Kirche in Lindenberg wird auch als der Westallgäuer Dom bezeichnet.

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Naturschauspiel: Tosend stürzen sich die Wassermassen aus dem Rickenbach in die Rohrachschlucht. Ein Besuch gehört zum Pflichtprogramm, wenn man in der Scheidegger Gegend ist.

Jetzt wird es Zeit, mir noch etwas Abkühlung zu verschaffen. Ich bin fast wieder am Startpunkt angekommen. Der gebührende Abschluss meiner ereignisreichen Tour bildet ein Besuch der Scheidegger Wasserfälle. Bei der Eingangspforte komme ich mit einer Mitarbeiterin ins Gespräch. Vier  Euro fünfzig kostet der Eintritt. Ein wirklich annehmbarer Preis wie ich finde, für das was in diesem „Wasserpark“ geboten wird. Sie beklagt sich aber darüber, dass viele Leute sich darüber beschweren, dass dieses Naturschauspiel Eintritt kostet und dementsprechend wieder umkehren. Auch so eine liebevoll gepflegte Anlage verursacht jede Menge Kosten und ich kann manche Leute nicht verstehen, warum sie das nicht mit einem kleinen Obulus unterstützen. Ich rate meist in solchen Fällen, sich ein Eis oder einen Kaffee weniger zu gönnen, dann hat man den Eintrittspreis wieder raus.
Die Scheidegger Wasserfälle werden vom Rickenbach gespeist. Die Fallhöhe liegt beim ersten großen Wasserfall bei 20 Meter, beim zweiten bei 18 Meter. Beide Wasserfälle sind durch steile Treppen direkt von vorne zu besichtigen. Ich dachte eigentlich an Abkühlung, komme aber beim Hinab- und wieder Hinaufsteigen ganz schön ins Schwitzen, schließlich habe ich ja auch noch die Motorradklamotten an. Etwas kühler wird es beim dritten, dem kleinen Wasserfall. Der Ort ist schön durch das Laubwerk der Bäume beschattet. Am Ende eines kurzen Panoramaweges blicke ich auf die beiden großen Wasserfälle. Ich setze mich auf eine im Schatten stehende Holzbank und gucke noch eine Weile dem imposanten Naturschauspiel zu.
Meine Tour ist hier zu Ende und ich freue mich, gleich wieder im Hotel zu sein und einen kühlenden Wasserfall unter der Dusche zu simulieren.

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Die bmm-Hotelempfehlung

Hotel Bergblick • Am Brunnenbühl 12 • 88175 Scheidegg

Familiär geführtes Motorradhotel mit Top-Service in Sachen Motorrad und Erholung; moho-klassifiziert mit 4 Helmen; Übernachtung mit reichhaltigem Frühstück; keine Halbpension möglich, aber hervorragende Speiselokale in fußläufiger Nähe; Getränkeautomat vor Ort; Garage für Motorräder, abschließbar; moho Tourenkarte inklusive Merchandising bei Buchung über moho.

www.moho.info
www.gaestehaus-bergblick.de

Fakten zur Tour

Länge: 215 Kilometer
Kalkulierte Fahrtzeit ohne Pausen und Besichtigungen: 3,5 Stunden
Calimoto-Kurvenlevel: 51
Tankstellen-Infrastruktur: Sehr gute
Kioske und/oder Wirtshäuser: gibt es jede Menge
Anzahl der Seen: nicht gezählt
Empfohlene Reisezeit: Mai – September

Fotos: Guido Schmidt