Ring frei zur nächsten Runde: Mit dem Motorrad die Höhen und Tiefen der Eifel ausloten und dabei das perfekte Tourenglück erfahren – flott unterwegs zwischen Mosel und Maaren, Weinbergen und Vulkanen. Das idyllische Ahrtal wurde im vergangenen Jahr von der Flutkatastrophe stark getroffen, noch immer kann die ein oder andere Straße gesperrt sein und Umfahrungen nötig machen. Die vom Unwetter heimgesuchte  Region braucht nun Gäste und Umsätze, aber keine Gaffer oder Weltuntergangstouristen.

Dass der Motorrennsport und die Eifel untrennbar miteinander verbunden sind, erlebe ich am Ortseingang von Adenau. Im Zentrum eines Kreisverkehrs winkt mir eine stilecht mit Lederkappe und Schutzbrille bekleidete Puppe aus einem offenen Rennwagen freundlich zu. Dabei handelt es sich unverkennbar um den Nachbau eines der berühmten Silberpfeile, um die sich eine Legende rankt: Am Tag vor dem Eifelrennen im Juni 1934 überschreiten die Mercedes-Benz-Renner das zulässige Höchstgewicht um ein entscheidendes Kilogramm. Über Nacht, so erzählt man sich, wurde der weiße Lack in einer Garage am Nürburgring bis auf die Aluminiumhaut abgeschliffen und die Silberpfeile geboren. Die Werksfahrer Manfred von Brauchitsch und Luigi Fagioli konnten starten, von Brauchitsch wurde Sieger. Ein breites Grinsen im Gesicht, biege ich am östlichen Ortsrand zur Hohen Acht (746 m) ab.

Mit spielerischer Leichtigkeit winkel ich den bewaldeten Vulkankegel empor. 

Die nahe B 412 verschmähend, treibe ich meine Maschine durch mehrere Täler über Kesseling nach Heckenbach, um von dort aus windungsreich nach Ramersbach aufzusteigen. Dabei fast die 500-Höhenmeter-Marke geknackt, strebe ich nun südwärts, um auf einem parallel zur Bundesstraße verlaufenden Asphaltstreifen das Kloster Maria Laach anzusteuern. Das im 12. Jahrhundert gegründete Gotteshaus am Laacher See wurde überwiegend aus heimischen Baustoffen errichtet und zählt zu den bedeutenden romanischen Sehenswürdigkeiten Deutschlands. Niederzissen fliegt vorbei, Ramersbach ebenso. Tadelloser Teer lässt mich durch einen ausgedehnten Forst hinunter ins Ahrtal schwingen. Rückblende: Geteiltes Deutschland, Kalter Krieg, Ost-West-Konflikt, Schreckensvision Atomkrieg! Zwei unvollendete Eisenbahntunnel, nur 30 Kilometer von der damaligen Bundeshauptstadt Bonn entfernt, werden ab 1960 unter strengster Geheimhaltung zum Ausweichquartier der Bundesregierung umgebaut. Der 1971 fertiggestellte Bunker sollte 3.000 Regierungsmitarbeitern Schutz vor Nuklearangriffen bieten. Mit der Wiedervereinigung überflüssig geworden und zurückgebaut, blieb ein kleiner Teil als Dokumentationsstätte erhalten. 

Fallert Achern Team

Einst eine reine Männerdomäne: Der Nachbau eines legendären Silberpfeils erinnert an die Anfänge des Motorsports in der Eifel.

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Regenpause: Die prachtvolle Abteikirche des Benediktinerklosters Maria Laach gilt als Aushängeschild deutscher Romanik.

Was unter den steilen Weinbergen los war, weiß ich nun. Schauen wir uns jetzt mal über Tage um.

Vermutlich brachten die Römer den Weinbau in diesen malerischen Teil der Eifel. Neben Rebhängen säumen Kirchen und Burgen meinen Weg entlang des mäandernden Flusses, dem ich in Kreuzberg vorerst adieu sage und gegen den Lauf des Sahrbachs das Radioteleskop Effelsberg anvisiere. Vom dortigen Parkplatz führt ein 700 Meter langer Fußweg in einen Talkessel, der seit 1972 den größten Parabolspiegel Europas vor irdischer Strahlung schützt. Deutlich kleiner und älter, dafür aber direkt mit dem Motorrad anfahrbar, ist der sogenannte Astropeiler Stockert, der zwischen 1955 und 1993 seinen Dienst bei Eschweiler, nördlich von Bad Münstereifel versah. Um zu ihm zu gelangen, muss ich anfangs einen Golfplatz überqueren und danach kariösem Teer bis zum Gipfelplateau folgen. Wieder in Bad Münstereifel angekommen, entschließe ich mich, das Naturschutzgebiet Münstereifeler Wald zu umrunden und erreiche auf lohnenden Umwegen erneut Effelsberg. Für den Rückweg zur Ahr habe ich mir ein Sahnestückchen auf der Generalkarte markiert – die Kehrenanlage oberhalb von Obliers. Sechs knackige Serpentinen lassen mich schnell an Höhe verlieren. Weil aber der Straßenbelag mehr als schlecht ist, muss meine Reiseenduro Nehmerqualitäten beweisen und ordentlich einstecken.
Anschließend lässt mich die schmale, dreibogige Brücke von Liers trockenen Fußes die Ahr überqueren, doch statt rechts nach Adenau abzubiegen, schlage ich den Weg links zum Motorradtreff Café Ahrwind in Ahrbrück ein. Dort lasse ich mir einen stilechten Pausen-Cappuccino schmecken, dessen Milchschaumhaube mit einem Motorrad aus Kakaopulver verziert ist. Einfach klasse! Anm. d. Red.: Das Gebäude des Café Ahrwind wurde durch die Flut stark beschädigt, den stilechten Pausen-Cappuccino gibt’s jetzt an gleicher Stelle aus einem Bauwagen, der im angrenzenden Biergarten steht.
Nachdem die weitere Route abgesteckt ist, begleite ich die Ahr noch ein kleines Stückchen bis Dümpelfeld und starte dann nach Adenau durch. Der Ort geizt weder mit historischem Fachwerk, noch mit Werbung für den nahen Nürburgring, als echter Hingucker entpuppt sich ein an einer Hauswand klebender roter Formel-Eins-Renner. Auf geht’s! Schon von Weitem erblicke ich die Nürburg, kein Wunder, thront sie doch auf dem zweithöchsten Berg der Eifel. Die Ursprünge der stolzen Festung reichen bis ins 12. Jahrhundert zurück, im Dreißigjährigen Krieg durch schwedische und später durch französische Truppen erobert und verwüstet, wurde sie bald aufgegeben. Bis heute prägt die mächtige Ruine die markante Silhouette des Motorsportortes, der seit Fertigstellung der ehemals 28 Kilometer langen „Gebirgs-, Renn- und Prüfungsstrecke“ im Jahre 1927 Rennsportbegeisterte aus aller Welt anlockt. Mich lockt das im nahen Barweiler gelegene Hotel Hüllen, dessen Wirt, Ralf Friedrichs, ein Faible für rassige Italienerinnen hat und daraus auch keinen Hehl macht. Er lässt sich nicht lange bitten und gewährt mir einen Blick in seine private Garage, wo die charismatischen Schönen in Reih und Glied stehen. Zum Glück ist der bekennende Ducati-Fan tolerant und beherbergt auch Fahrer anderer Motorradmarken.
Nach meinem gestrigen Ausflug in die Ahreifel steht heute eine Tour durch die Vulkaneifel an. Schon früh von der Morgensonne aus den Federn gelockt, schlage ich meinen Weg Richtung Gerolstein ein.
Eine ehrliche Landstraße mogelt sich an sanften Kuppen vorbei und lässt mich abseits des Weilers Dohm über die Kyll hüpfen. Sie hat ihre Quelle im Grenzgebiet zu Belgien und begleitet mich in das für seine Mineralquellen bekannte Gerolstein. Schon die Kelten und Römer wussten die Qualität des kühlen Nass  zu schätzen, kein Wunder, dass seit 1724 das Mineralwasser abgefüllt und für gutes Geld verkauft wird. Aus dem von Bergflanken eingerahmten Verkehrsknotenpunkt schraube ich mich kurvenreich in nicht unbeträchtliche Höhen. Die ein Dutzend Kilometer messende Etappe durch den Forst Salm zum gleichnamigen Ort bereitet viel gute Laune, die bis zum „Brubbel“ in Wallenborn anhält. Dort ziehe ich nicht nur den Zündschlüssel, sondern auch das Portemonnaie, denn der Besuch des Kaltwasser-Geysirs ist kostenpflichtig. Die nette Dame an der Kasse mahnt zur Eile, der nächste Ausbruch stünde bevor! Neugierig und in respektvollem Abstand beobachte ich die von Steinquadern eingefasste Wasserfläche: Alle 35 Minuten steigen erst kleine Gasblasen auf, dann schäumt es, dann brodelt es und urplötzlich schießt eine bis zu vier Meter hohe Fontäne in die Luft. Und damit bin ich schon mitten im Naturpark Vulkaneifel angelangt. Die sehr gut ausgeschilderte Vulkanstraße nimmt mich mit zum Meerfelder Maar, das durch gewaltige Eruptionen vor zigtausend Jahren entstand, und dessen kreisrunder Kessel heute zu den größten der Eifel zählt. Zu den vielen Eifel-Highlights gehören auch die benachbarten Manderscheider Burgen. Zwischen den Flussschleifen der Lieser erheben sich die Ober- und die Niederburg. Die mittelalterlichen Festungen grenzen dicht aneinander, gehörten aber unterschiedlichen Herrschern, Grund für häufige Gewaltausbrüche. Ein gänzlich anderer Ausbruch formte die gigantische Lavabombe im nicht weit entfernten Strohn. Die Kugel aus erkalteter Lava misst fünf Meter im Durchmesser und wiegt rund 120 Tonnen. Der schwarze Brocken wurde vor 50 Jahren in einem nahen Steinbruch entdeckt.

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Riesenschüssel: Mit hundert Meter Durchmesser besitzt das Radioteleskop Effelsberg den größten Parabolspiegel Europas.

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Die Ahrbrücke bei Liers wurde beim Hochwasser schwer beschädigt, eine Behelfsbrücke umgeht sie derzeit.

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Das Ohr zum All: Der betagte Astropeiler Stockert ist auf einem über 400 Meter hohen Bergrücken bei Eschweiler zu entdecken.

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Kleinod an der alten Nordschleife: Das nahe des historischen Nürburgrings gelegene Adenau protzt mit reichlich Fachwerk.

Es bleibt spektakulär!

Auf meinem weiteren Weg rausche ich bei Gillenfeld am Pulvermaar vorbei, was ihm an Fläche fehlt, macht es an Tiefe wett, zählt es doch zu den tiefsten Seen der Republik. Südlich der Kreisstadt Daun kurve ich wenig später um ein Trichtertrio, das Schalkenmehrener, das Weinfelder und das Gemündener Maar. Alles Vulkankrater, die im Laufe der Jahrtausende voll Wasser liefen und kreisrunde Seen bildeten. Der sich anschließende Abschnitt nach Ulmen kann unterschiedlicher nicht sein: Bis zur A 1 weit und freudlos, nimmt der Teer dann an Breite ab und streut Radien sämtlicher Güteklassen vors Vorderrad. Am Rande des Ulmener Maars sind die traurigen Reste der Burg zu erkennen, die nach dem verheerenden Stadtbrand von 1831 als Steinlieferant für den Wiederaufbau des Ortes herhalten musste. Im äußersten Osten des Naturparks angekommen, reizt mich ein Abstecher nach Cochem. Nach nicht ganz zwanzig Kilometern lassen mich mehrere Schleifen ins romantische Moseltal hinabstürzen. Hoch über dem Ort die mit Türmchen, Erkern und Zinnen überfrachtete Reichsburg.

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Vorfreude: Tagsüber durch die Weinberge des Ahrtals touren und dabei an einen edlen Tropfen am Abend denken.

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Der Chef und seine Schäfchen: Hüllen-Wirt Ralf Friedrichs ist bekennender Ducati-Fan mit reichlich Benzin im Blut.

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Pflichtprogramm für Eifelbesucher: Zwischen den Flussschleifen der Lieser erheben sich die mittelalterlichen Manderscheider Burgen.

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Glück gehabt: Das schicke Schloss Bürresheim überstand Kriege und Revolutionen, wird aber heutzutage von der Filmindustrie belagert.

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Nicht zu übersehen: Stilecht wird auf das tief im Wald versteckte Besucherbergwerk Bendisberg hingewiesen.

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Immer pünktlich: Alle 35 Minuten schießt der Kaltwasser-Geysir Brubbel eine bis zu vier Meter hohe Fontäne in die Luft.

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Ach du dickes Ei: Die gigantische Lavabombe in Strohn misst fünf Meter im Durchmesser und wiegt rund 120 Tonnen.

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Abseits der Hauptstraße: Die Preise an dieser schon lange aufgegebenen Zapfsäule werden noch in D-Mark angezeigt.

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Mythos Motorsport: Am Nürburgring informieren Ausstellungen über den Kurs, die Fahrzeuge und deren Piloten von einst bis jetzt.

Und noch mehr Burgen

Dem quirligen Touristen-Hotspot Cochem entronnen, gehe ich in den Steigflug über und kehre ganz geschmeidig über Kaisersesch zurück in die Eifelhöhen. Das verträumte Städtchen Monreal ist einen Halt wert und wird von mir zu Fuß erkundet. Wie in vielen anderen Tälern, müssen sich auch hier Schiene, Straße und Wasserlauf den Talgrund teilen. Während sich verwinkelte Fachwerkgassen dicht an den Elzbach schmiegen, haben die Ruinen der Philippsburg und der größeren Löwenburg die sonnigen Hänge für sich reserviert. Deutlich besser erhalten präsentiert sich mir ein paar Schaltvorgänge später die imposante Genovevaburg in Mayen. Das Wahrzeichen des Ortes thront, von einer wehrhaften Stadtmauer geschützt, über der Altstadt. Mehr als einen Schutzengel mussten die Bewohner von Schloss Bürresheim gehabt haben. Das historische Gemäuer im angrenzenden Nettetal überstand sämtliche Kriege und Revolutionen unbeschadet. Belagert wird es hin und wieder von der Filmindustrie, die das edle Gemäuer inmitten eines gepflegten Parks als lohnenswerte Kulisse für sich entdeckt hat. Nach so viel Kultur möchte ich mal wieder herzhaft am Kabel ziehen und elegant durch Kurven gleiten, da kommt die Landstraße nach Kirchwald gerade recht. Auf der Generalkarte mit grünem Beistrich versehen, erfüllt sie meine Erwartungen vollends. Noch vor Erreichen der B 412 komme ich an der Abzweigung zum Besucherbergwerk Bendisberg vorbei, eine riesige Seilscheibe und zwei Förderwagen machen unübersehbar auf die tief im Forst versteckte Grube aufmerksam. Ganz in der Nähe der Hohen Acht entlässt mich die windungsreiche Waldstrecke auf die Zufahrt zum Nürburgring. Bis 1927 fanden die Eifelrennen auf öffentlichen Straßen statt. Aus Sicherheitsgründen und zur wirtschaftlichen Belebung der armen Region wurde der ursprüngliche Parcours geschaffen. Außerdem sollte er den Fremdenverkehr ankurbeln. Und das tut er bis heute.

Fotos: Frank Sachau

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Cochems Wahrzeichen: Hoch über der Mosel erhebt sich die im 19. Jahrhundert wiederaufgebaute Reichsburg.

Über den AUTOR

Frank Sachau

Seit mehr als 30 Jahren ist Frank auf BMW GS-Modellen unterwegs zwischen Dänemark im Norden, der Toskana im Süden, den Pyrenäen im Westen und Polen im Osten. Zwischendurch führten die Reisen immer wieder in die Alpen: Zwischen Wien und Nizza blieb kein namhafter Pass unberührt. Und selbstverständlich kamen auch Deutschlands schönste Flecken unter die Räder.  

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