Der Kaukasus ist ein etwa 1.100 Kilometer langes Hochgebirge in Eurasien zwischen dem Schwarzem und Kaspischem Meer. Es unterteilt sich in die drei Gebirgsketten Großer Kaukasus, Kleiner Kaukasus und Talysch-Gebirge. Der Kaukasus ragt bis zu einer Höhe von 5.642 Metern über N.N. auf. Er befindet sich auf den Territorien Russlands, Georgiens, Armeniens, Irans und Aserbaidschans.
Von Barbara Eisenbeis
Mitten in der Nacht, genauer gesagt um drei Uhr morgens kommen wir in Tiflis am Rustaveli Airport an. Der Fahrer vom Hotel Lilo wartet schon und dirigiert uns umgehend zum Geldautomat. Ich schiebe gespannt meine Postbankgirokarte rein und freue mich, dass es keine Probleme gibt mit dem Geld abheben. Eine der wichtigsten Fragen ist damit schon beantwortet. An Bargeld kommen wir ran!
Nach kurzer Nacht laufen wir am nächsten Morgen zur Spedition. Der Mitarbeiter im ersten Büro versteht uns nicht, kurzerhand zeigen wir Bilder unsrer Motorräder. Aha, das funktioniert, er telefoniert und bedeutet uns, das wir warten sollen. Aus Zeitgründen haben wir unsre Motorräder, meine Suzuki DR 350 und Hansjörgs nagelneue Yamaha Ténéré 700 per LKW nach Tiflis bringen lassen. Organisiert durch Slava von KTM–Georgia, wir mussten lediglich die Fahrzeuge nach Ulm zur Spedition bringen und dort in bereitgestellten Holzkisten verpacken.
Aufgeregt stürzen wir uns in den Stadtverkehr, zu viel Schlechtes haben wir davon gehört. Aber nein, es gelingt uns gut, mitzuschwimmen. Die Georgier überholen zwar gerne in zweiter Reihe und trotz Gegenverkehr, aber sie achten doch auf die anderen. Zum Eingewöhnen in die georgische Lebensart tuckern wir Richtung Alanzani Weinebene. Tuckern, weil die Straßen außerhalb der Stadt schlecht und voller Löcher sind. In der fruchtbaren Ebene angekommen, bietet sich uns eine spektakuläre Sicht auf den hohen Kaukasus. Die Berge im Vordergrund grau und dunkel, dahinter die hohen weißen Gipfel.
Blick auf alte Wohnhäuser in Tiflis.
Die Alexander-Tamanyan-Statue in Eriwan.
In Sighnaghi erleben wir die sprichwörtliche Gastfreundschaft der Georgier. Unser Gastgeber spricht etwas Deutsch, hilft uns unsere Simkarten am Automaten aufzuladen und spendiert abends noch ein Imbiss aus Gurken, Tomaten, weißem Käse und Brot. Selbstverständlich schenkt er eigenen Wein und Schnaps aus. Den Georgiern sind ihre Reben sehr wichtig und im ganzen Land bekommen wir sehr leckeren Wein. Der sich absolut nicht hinter dem hiesigen Kaiserstühler verstecken muss.
Auf dem Weg zur armenischen Grenze beeindruckt uns die weite Landschaft, auf den Nebenstraßen ist kaum Verkehr und wir freuen uns, wenn wir eine Piste erwischen. Idschewan, unsere erste Station in Armenien, liegt seit dem neuesten Berg-Karabach-Konflikt im Abseits, da die Grenze zu Aserbeidschan geschlossen ist. Drei Herren bereiten uns einen begeisterten Empfang, scharren sich um Hansjörgs Ténéré und wollen alles Mögliche wissen. Einer der dreien spricht englisch und gibt den Wortführer. Ich schlendere derweil in den kleinen Supermarkt auf der anderen Straßenseite, auf der Suche nach einem Ankommbier und krieg vor Staunen die Augen nicht mehr zu. Deckenhohe Regale mit extrem vielfältiger Auswahl an Wodka, Cognac, Wein und Bier. Drei Schritte weiter eine riesige Auswahl an Süßigkeiten. Kekse sind fein säuberlich aufeinandergestapelt in einer Box, unverpackt wohlgemerkt! Genauso unverpackt kauft man Mehl, Nudeln und Gefriergut hier ein.
Den Regen warten wir am anderen Morgen ab, bevor wir über die alte Passstraße an den Sewansee fahren.
Eine abenteuerliche Hängebrücke führt zu den Höhlenwohnungen von Khudzorek.
Die Höhlenwohnungen von Khudzorek.
Das Hochland von Sunjik in 3.200 Metern Höhe.
Auch hier ist spürbar, dass die Straße abseits liegt. Durchgangsverkehr der etwas Geld bringen würde, fehlt. Das Dorf wirkt sehr arm und wenig gepflegt, unter dem grauen Himmel frag ich mich, wie man hier leben kann. Am Sewansee entlang, einer der höchstgelegenen Binnenseen der Welt auf 1.900 Metern, düsen wir nach Süden. Eine kleine Raststätte lädt uns zur Pause ein. In der Auslage finden sich verschiedene Blätterteigstückchen, die hier meist mit salzigem Käse gefüllt sind. Der Kaffeeautomat ist nur in Armenisch beschriftet, aber es gelingt mir einem Milchkaffe zu bekommen. An Kaffee erleben wir die ganze Bandbreite, von zuckersüßer schwarzer Brühe bis zu feinem Cappuccino ist alles drin.
Am Selimpass gilt es außer der alten Karawanserei auch die beeindruckende Landschaft zu bestaunen. Die Karawansereien waren wichtige Unterkünfte entlang der Seidenstraße Armeniens. Hier konnten Mensch, Tier und Ware sicher für die Nacht einkehren. Am nächsten Tag erkunden wir Norawank, eines der bekanntesten Klöster Armeniens. Es liegt imposant auf einem Plateau umrahmt von hohen rotgelben Bergen. Den Rest des Tages stromern wir mit den Enduros über mehr und weniger gute Feldwege, in dem Versuch einen erloschenen Vulkan zu erreichen. Wir sind total begeisterst, dass wir überall hinfahren dürfen, einfach auf der Piste bleiben und Spaß haben.
Industrieruinen in der Debetschlucht.
Karawanserei am Selimpass.
Kupferhütte in Alawerdi.
Von Goris aus, dem südöstlichsten Punkt unserer Reise, wagen wir uns auf die abenteuerliche Hängebrücke zu den Höhlenwohnungen von Khudzorek. Die Brücke ist zusammengeschraubt aus Teilen von Gitterboxen, mit einem Handlauf einer ausgemusterten Rolltreppe. Sie überspannt mit ihren 160 Metern die grüne tiefe Schlucht.
Immer wieder erleben wir, dass die Menschen insbesondere Kinder begeistert sind von den Motorrädern. Meist fragen sie ob sie aufsitzen dürfen. Dann werden einige Handybilder gemacht und die Kids freuen sich sichtlich.
Überraschenderweise gibt es weder in Georgien noch in Armenien irgendwelche Zweiräder, keine Fahrräder, keine Mopeds und schon gar keine Motorräder. Von hinten ist immer wieder gut zu beobachten, dass die Menschen stehen bleiben und uns nachschauen. Wir sind ja nicht schnell unterwegs und grüßen die Menschen am Straßenrand. Die Armenier freuen sich und sie winken zurück. Am nächsten Tag wechseln wir auf vier Räder und lassen uns mit einem Allradjeep auf 3.200 Meter zu den Felsbildern im Hochland von Sunjik fahren. Hier haben vor tausenden Jahren Hirten Bilder in erkaltetes Lavagestein geritzt. Beeindruckend farbig ist die Fahrt durch die baumlose Landschaft. Grüne Wiesen, schwarzes Lavagestein, blitzblauer Himmel und weiße Schneefelder dazwischen. Ich bin sehr froh drüber im Jeep zu sitzen, mit unseren Enduros wären ein überqueren der Schneefelder nicht möglich gewesen. Überraschend sehen wir eine Berghütte und Wanderer auf einem der hohen Hügel. Der Tourguide liefert die Lösung. Keine Wanderer, sondern Soldaten, die Grenze zu Berg Karabach liegt nahe.
Zwei Tage später kommen wir der Grenze zur Türkei sehr nahe. Auf dem Weg nach Eriwan blinzelt der Berg Ararat durch die Wolken, in früheren Zeiten lag er auf armenischem Staatsgebiet, heute aber unerreichbar für die Armenier in der Türkei. Angekommen in Eriwan entpuppt sich die Hauptstadt des Landes als lebendige, moderne, weltoffene Stadt. Große Boulevards und sowjetische Monumentalbauten säumen die Innenstadt. Es ist sehr heiß in diesen Tagen, deshalb ist am Abend auch viel los auf den Straßen Eriwans. Auf dem weiteren Weg nach Norden fällt uns in Spirtak eine Bäckerei ins Auge. Es ist Zeit für eine Pause. Während Hansjörg sich ums Essen kümmert kommt ein freundlicher junger Mann an unseren Tisch. Stellt sich auf Englisch als Geschäftsführer des Supermarktes vor und fragt ob wir Hilfe benötigen. Zum Abschied schenkt er uns zwei Flaschen Saft. Diese Freundlichkeit, die spürbar von Herzen kommt, begeistert mich immer wieder aufs Neue.
An der Debetschlucht entlang rollen wir nach Odzun. Der Fluss hat sich innerhalb Millionen von Jahren tief reingefressen, um uns herum 700 Meter hohe steile Felswände. Innerhalb von nur 100 Jahren haben es die Menschen allerdings geschafft, die Natur hier zu ruinieren. Entlang des Debed stehen verlassenen aufgegeben Industrieanlagen aus der Sowjetzeit. Bedrückend wirkt die graue alte Kupferhütte die das Städtchen Alawerdi beherrscht. Das Gewitter am Abend in Odzun macht uns tags drauf zu schaffen.
Die alte Straße nach Stepanakert ist eine üble Schlaglochpiste, dazu kommt, dass die teils tiefen Löcher nun mit brauner schmutziger Brühe vollgelaufen sind. Da heißt es nicht zimperlich zu sein und langsam durchrollen. Zurück in Georgien bleiben wir für zwei Tage in der Stadt Bordjomi. Sie ist bekannt für ihr Heilwasser und dafür das im Umland die Zapfen/Samen der Nordmanntanne gesammelt werden. Unser liebster Weihnachtsbaum, die kaukasische Kiefer, wurde 1842 vom finnischen Biologen Alexander von Nordmann im Umland von Bordjomi entdeckt. Auf einer schönen Bergpiste wollen wir bis zum Tabatskurisee. Auf der Passhöhe werden wir zum ersten und einzigen Mal während der ganzen Reise von der Polizei kontrolliert. Mitten in den phantastischen Bergen, weit weg von jeglicher Grenze werden ordentlich Pass und Fahrzeugpapiere geprüft, dann dürfen wir weiter. Die Hütehunde in den Bergen verfolgen uns sehr beharrlich, springen auch gerne vor das Vorderrad. Es kostet Nerven der Spur zu folgen.
Das Norawank-Kloster aus dem 13. Jahrhundert.
Der Regierungssitz in Eriwan.
Altreifenrecycling auf armenisch: Die Löwenskulptur des südkoreanischen Bildhauers Ji Yong Ho besteht komplett aus Altreifen.
Uschguli – das Dorf in Georgien liegt auf 2.200 Metern.
Anfang Juli sind wir im hohen Kaukasus angelangt. Im Guesthaus Cabernet Tali dürfen wir ein Teil unsres Gepäcks deponieren. Mit dem kompletten Gepäck wollen wir die schwierige Bergpiste über den Abanopass (2.850 m) nach Omalo nicht in Angriff nehmen. Sie steht auf der Liste der „Most Dangerous Roads“ und wir freuen uns drauf. Aufgeregt starten wir in Pshaveli und bald wechselt der Asphalt auf Stein und Fels. Der Regen vom Vortag hat die Wasserfälle anschwellen lassen und wir kommen um die sog. „Tuschentaufe“ nicht drumrum. Überraschend gut lässt es sich auf der gewachsenen, allerdings nassen steilen Felspiste nach oben klettern. Die ersten sieben Serpentinen schaffen wir auch noch, bevor uns nach 32,6 km und auf 2.160 Metern ein schnellfließender Schmelzwasserfluss ausbremst. Große schmutzige Schneereste am Rand der Piste lassen uns befürchten, dass es noch einige dieser Abflüsse gibt. Immerhin haben wir die Passhöhe von 2.850 Meter und noch 38 Kilometer vor uns. Wir beraten kurz und beschließen einstimmig, umzukehren!
Die georgische Heerstraße wollen wir uns nicht entgehen lassen und biegen am großen Stausee Zhinvali auf die E 117 Richtung Norden ab. Die Straße führt zum 110 Kilometer entfernten, zurzeit einzigen geöffneten Grenzübergang nach Russland. Unzählige LKW sind unterwegs oder stehen in Blöcken am Straßenrand und warten bis die Polizei die Weiterfahrt erlaubt. Glücklich das wir mit unseren Enduros überall hinfahren dürfen, sind wir ein weiteres Mal von der Farbenpracht und der traumhaften Umgebung im Trusotal fasziniert. Ein unscheinbarer Abzweig von der Heerstraße führt uns dort hin.
Das Trussotal mit herrlicher Weitsicht.
Skyline der Hafenstadt Batumi.
Tiflis von oben.
In Tiflis lassen wir die mitgebrachten Mitas montieren, um uns dann auf den Weg nach Swanetien zu machen. Bis Lentheki ist die Straße gut, wie immer teilen wir sie mit Autos LKWs und Kühen. Strahlend blau begrüßt uns der Himmel am anderen Morgen. Ein guter Tag für den Weg nach Ushguli! Zuerst werden wir im Dorf nochmal von aggressiven Hunden verfolgt. Danach beginnt die Schotterpiste die sich aufgrund von Straßenbau Arbeiten auch mal durchs Bachbett schlängelt. Wir genießen wir die weißen Gipfel des hohen Kaukasus die uns immer näherkommen. Ein phantastisches Panorama am Zagaripass auf 2.627 Metern. Ushguli imponiert uns mit dunklen 30 Meter hohen Wehr und Wohntürmen. Sie wirken mächtig und bedrohlich vor der romantischen Bergkulisse! Seit dem 10. Jahrhundert bieten sie den Menschen hier auf einer Höhe von 2.200 Metern Schutz vor Feinden, Krieg und Unwetter. Leider gehört das Dorf auch zu den ärmsten Gegenden in Georgien. Die Menschen leben hier von dem was Euter und Garten hergeben. Bei ca. 100 € Monatsverdienst ziehen die jungen Menschen weg und suchen bessere Lebensmöglichkeiten. Vereinzelt gibt es Gästezimmer für Wanderer, aber es ist mühselig das Baumaterial hier hoch zu schaffen.
Wieder einmal scheint ein Weg versperrt. Wir erfahren, dass es einen Felssturz gab und die Straße nach Mestia nicht frei ist. Das wollen wir mit eigenen Augen sehen! Verblüfft und bewundernd erleben wir an der verschütteten Straße einen ruhigen besonnenen Radlader Fahrer, der nicht nur uns den Weg freischaufelt. Mestia in Swanetien ist ein großes Bergdorf. Touristen bevölkern den lebhaften Ort. Auch in Mestia strecken sich dunkle Wehrtürme in den Himmel. Über eine ewig lange sehr schlechte Betonpiste verlassen wir wehmütig das wundervolle Swanetien. Den Zekari- und Gordezipass im Süden wollen wir unter die Stollenreifen nehmen. Zekari ist auch gelistet bei den „Most Dangerous Roads“, verspricht uns daher anstrengende aber erlebnisreiche Pistenkilometer. Trüber Himmel und Nebel verhindern leider die Aussicht vom Zekaripass, dessen Auffahrt erstaunlich gut zu meistern war. Dafür hat es die Abfahrt richtig heftig in sich. Matsch und vorderradtiefe Spurrillen erfordern höchste Konzentration. Für den Gordezipass dachten wir, dass die östliche Seite asphaltiert ist, wird doch oben in den Bergen ein großes Skigebiet erschlossen. Nix da, allein schon die Auffahrt ist eine verfahrene Schotterpiste mit vielen Baustellen, LKWs und Baggern. Wir treffen ein spanisches Vater-Sohn-Duo mit ihren Motorrädern, die uns vorwarnen, dass die weitere Strecke sehr schlecht ist. Ungläubig erfahren wir das selbst. Ab der Passhöhe schlittern wir durch fetten Nebel, kilometerlang über matschige verspurte Erdstraßen, schwer mit Baumaterial beladene LKWs kommen uns entgegen. Autos, Kühe, Bauarbeiter, alles drängt sich hier. Seit Jahren wird hier gebaut und noch kein einziger Kilometer von der 55 km langen Passstraße ist fertiggestellt. Am anderen Tag rollen wir entspannt nach Batumi am Schwarzen Meer, wo wir die letzten Tage im beeindruckenden Georgien genießen.
Reiseinfos:
Reisezeit: 04. Juni bis 15. Juli durch Armenien und Georgien
Gefahrene Kilometer: 8.200
Ein Plattfuß bei der Suzuki in der Türkei
Sprit in guter Qualität verfügbar
Spritpreis in Armenien ca. 0,90 €/l
Spritpreis in Georgien ca. 1,30 €/l
Transportkosten: 1.800 €
Flug nach Tiflis: 400 €
Kosten insgesamt für 7 Wochen 6.800 €
Literaturtipp:
• Reiseführer Armenien von Thorsten Flaig, Dumont
• Reiseführer Georgien von Stefan Loose Verlag