Das bis zu 600 Meter aufragende Saar-Nahe-Bergland erstreckt sich über rund 100 Kilometer Länge und 40 Kilometer Breite in nordöstlicher Richtung zwischen der französischen Grenze und Bad Kreuznach. Rheinland-Pfalz und Saarland teilen sich die von zahlreichen Wasserläufen durchzogene Region zu gleichen Teilen. 

Guten Morgen! Gleich hinter meinem reich gedeckten Frühstückstisch erhebt sich die imposante Burg Lichtenberg. Der erstmals im 13. Jahrhundert erwähnten Festung war das Kriegsglück wohlgesonnen, kein Angreifer konnte die mächtigen Mauern bezwingen, bis 1799 ein Brand große Teile in Schutt und Asche legte. Von Thallichtenberg zirkel ich in weiten Serpentinen den über 400 Meter hohen Burgberg empor. Statt klappernder Ritterrüstungen schallt mir fröhliches Kinderlachen entgegen, die Bastion dient heute als Jugendherberge und ist Domizil des Pfälzer Musikantenland-Museums. Denn Mitte des 19. Jahrhunderts zwangen schwindende Ernteerträge in der Region und Zechenschließungen am nahen Potzberg (562 m) zum Auswandern oder zur Neuorientierung. Für Lohn und Brot zogen begabte Solisten, Chöre und Orchester hinaus in die weite Welt. Ich bleibe in der Nähe und wähle für mein Frühsportprogramm die abwechslungsreiche Etappe über Körborn und Oberalben ins Glantal. Der Glan entspringt an der Grenze zum nahen Saarland und mündet nach rund 90 Kilometern bei Bad Sobernheim in die Nahe. Auf dem Weg dorthin werde ich den Fluss mal links, mal rechts begleiten. Schon in Glanbrücken ist es soweit, ich sage Tschüss und schlage mich in die Büsche. Anders als es der Ortsname vermuten lässt, entpuppt sich die schön gewundene Nebenstrecke nach Langweiler keineswegs als monoton. Ein spannender Patchworkteppich aus Dörfern, Feldern und Hügeln liegt hinter mir, als ich jenseits der B 270 Schweinschied erreiche. Dort schickt mich ein leicht zu übersehendes Schild auf einen Feldweg zum Römerdenkmal, das sich in einem kleinen Gehölz versteckt. Steinmetze schufen hier im 1. und 2. Jahrhundert nach Christus das größte Natursteingrabmal nördlich der Alpen. Die römischen Besatzer gingen, das Monument blieb. Wieder breiten Teer unter den Reifen, lasse ich es erneut schwungvoll angehen, bis ich kurz darauf in Lauterecken eintreffe, wo der Glan die Lauter aufnimmt. Ihr folge ich stromaufwärts Richtung Kaiserlautern, biege aber schon bald nach Hohenöllen ab. Radien unterschiedlichster Güteklassen lassen mich über einen Höhenzug nach Reipoltskirchen im Tal des Odenbachs tanzen. Und der hat seit 1300 stets für einen gut gefüllten Graben der dortigen Wasserburg gesorgt, die mit ihrem 17 Meter hohen Bergfried als besterhaltene der Pfalz gilt. Es kommt noch besser! Nach wenigen Kilometern klappe ich in Meisenheim, der Perle des Glantals, den Seitenständer aus. Von Kriegswirren verschont, umfassen Reste der Stadtmauer wunderschöne Beispiele mittelalterlicher Fachwerkbauten.

Burg Lichtenberg

Am Ende eines ausgedehnten Fahrtages führen die letzten Kurven hinauf zur Burg Lichtenstein.

Edelsteinwasser

Die Kraft der Steine: Rund um Idar-Oberstein weiß man die energetische Heilwirkung von Edelsteinwasser zu schätzen. Na denn mal Prost.

Nach einem doppelten Espresso am Marktplatz sitze ich wieder im Sattel und wechsel aufs rechte Glanufer hinüber. Dort, wo Glan und Nahe Hochzeit feiern, bilden sie eine dreieckige Landzunge, auf deren höchster Erhebung die Ruinen des ehemaligen Zisterzienserklosters Disibodenberg zu finden sind. Ursprünglich vor über tausend Jahren durch einen irischen Mönch gegründet, von Banden geplündert und niedergebrannt, doch stets wieder aufgebaut, endete es letztendlich als Steinbruch. Ich will der Nahe ganz nahe sein und schmiege mich auf einem mageren Asphaltband an ihre weiten Schleifen. Die südlichen Hänge des Hunsrücks und die nördlichen Ausläufer des Pfälzer Berglandes bieten beste Voraussetzungen für den Weinbau, der mit den römischen Legionen die Region eroberte. Das Naheland wird von den umliegenden Mittelgebirgen vor Wind, Kälte und Regen geschützt, die besonderen Böden lassen überwiegend Weißweine wie Riesling und Müller-Thurgau gedeihen. Kurz vor Bad Kreuznach, dem Zentrum des 4.000 Hektar umfassenden Weinanbaugebietes, schweife ich nach Rüdesheim ab und gelange an den Hängen des Soonwaldes über Mandel und Bockenau nach Bad Sobernheim. Weil die breite und kurvenlose B 41 eine echte Spaßbremse ist, biege ich ins malerische Kellenbachtal ab. Während hoch über dem Tal die in der Sonne leuchtende Ruine von Schloss Dhaun die Einfahrt markiert, geht es im Talgrund dunkel, eng und windungsreich zu. 16 Kilometer Schräglagenwechsel habe ich genossen, als in Gehlweiler der Abzweig nach Rhaunen auftaucht und mit dem Aufstieg in aussichtsreiche Höhenlagen ein echtes Kontrastprogramm gezeigt wird, bevor ich zusammen mit der Hunsrück Burgen- und Schieferstraße und dem Hahnenbach nach Kirn kurve, dessen Stadtbild von der Ruine der Kyrburg geprägt wird.

Idar Oberstein

Ergiebige Achat-Vorkommen begründen den Wohlstand Idar-Obersteins.

Kellenbachtal-Brücke

Kleinod am Ende des Kellenbachtals: Die dreibogige Brücke über den Simmerbach bei Gehlweiler stammt aus dem 18. Jahrhundert.

Erneut suche ich die Nähe der Nahe und lande wieder auf der B 41, die mich schnörkellos bis vor das Deutsche Edelsteinmuseum in Idar-Oberstein transportiert. Glanzstücke meisterlichen Könnens und wertvolle Mineralien aus aller Welt sind hier ausgestellt, denn seit dem Mittelalter treiben Isarbach und Nahe Schleifmühlen an, auf dem Kippstuhl liegend haben Schleifer Achate und Edelsteine in Form gebracht. Anschließend wechsel ich mehrmals über elegante Kunstbauten den Nahelauf, um schließlich hinter Frauenberg am riesigen Truppenübungsplatz Baumholder vorbei Thallichtenberg anzusteuern. Doch statt zum Hotel abzubiegen, kurve ich im warmen Licht der tiefstehenden Sonne noch mal zur Burg hinauf. Ich kann halt nicht widerstehen. Unentschlossenheit ist nicht mein Ding! Aber bei dem tollen Frühstücksbuffet fällt die Wahl wirklich schwer und die erste Mahlzeit des Tages dauert deutlich länger als üblich. Kaum hat der letzte Schluck Kaffee meinen Adamsapfel passiert, lasse ich meinen bayerischen Reiseriesen an, um mir heute einen langgehegten Wunsch zu erfüllen: Den Besuch der Großen Saarschleife bei Orscholz. Die Burgruine Lichtenberg lasse ich wortwörtlich links liegen und erreiche schon bald Freisen im östlichen Zipfel des Saarlandes. Auf dem Weg nach St. Wendel gerate ich nicht nur in den 1980 gegründeten Naturpark Saar-Hunsrück, sondern auch in ein ausgedehntes Skulpturenfeld, das mich zum Bremshebel greifen lässt. Entlang der Straße schufen in den 1970er Jahren internationale Künstler tonnenschwere, bis zu neun Meter aufragende Großplastiken. Ich möchte noch höher hinaus und biege in der Kreisstadt St. Wendel nach Tholey ab, dort erhebt sich der 569 Meter hohe Schaumberg, auch gern als „Hausberg des Saarlandes“ bezeichnet, von dessen Aussichtsturm man ein prachtvolles Panorama über den Naturpark bis zu den Vogesen genießen soll. Wenn da nicht der zähe Hochnebel wäre. Geschenkt, denke ich mir und strebe weiter gen Westen. Dabei fast ausschließlich in den Tälern kleinerer Wasserläufe unterwegs, wird mein Kurvenvergnügen plötzlich durch ein unscheinbares Schild unterbrochen, das auf Schloss Münchweiler hinweist.

Kellenbachtal-Wasserlauf

Eile mit Weile: Das 16 Kilometer lange Kellenbachtal bietet manch wildromantischen Flecken.

Fallert Achern Team

Extrem hohes Infektionsrisiko: Der lange Frank fragt sich, wie weit die gefährlichen Flugrostviren springen können. Besser mit Abstand parken.

Fallert Achern Team

Am Westwall: Die in den späten 1930er Jahren errichteten Panzersperren sollten Angreifer aus dem Westen abwehren.

Nach einem kurzen Abstecher zum denkmalgeschützten Barockbau wieder auf der Hauptstraße, lassen mich betagte Gleise die Nähe des Eisenbahnmuseums Losheim am See erahnen. Freunde historischer Dampfloks können auf der rund zehn Kilometer langen Strecke quer durchs Saar-Bergland bis nach Merzig, meinem nächsten Ziel, reisen. Dort treffe ich erstmals auf die Saar und den Viez, ein herb-frischer Apfelsaft mit rund sechs Prozent Alkoholgehalt, der sich in der Region dermaßen großer Beliebtheit erfreut, dass man ihm eine Themenstraße gewidmet hat. Sie verläuft auf 180 Kilometer Länge durch die Streuobstwiesen zwischen Saar und Mosel, Merzig und Trier. Das dunkle, träge dahinziehende Wasser nimmt mich mit nach Besseringen, wo ich aufs westliche Ufer hinüberwechsle und der Saar vorerst nicht mehr von der Seite weiche. Es wäre ein unverzeihlicher Fehler, die Sackgasse bei Dreisbach zu ignorieren, führt doch ein herrlich ruhiger und verkehrsarmer Weg fast bis in die Saarschleife. Hier lohnt es sich, eine Pause einzulegen und das Fresspaket aus dem Tankrucksack zu holen. 200 Meter Höhenunterschied, eine knackige Walddurchfahrt und etliche runde Bögen liegen hinter mir, als ich Orscholz erreiche.

Saar

Einfach mal innehalten: Entlang der windungsreichen Saar bieten sich immer wieder stille Plätze zur Pause an.

Reipoltskirchen

Wehrhaftes Glanzstück: Die betagte Wasserburg in Reipoltskirchen gilt mit ihrem 17 Meter hohen Bergfried als besterhaltene der Pfalz.

Nur wenige Gehminuten durch den Wald sind vergangen, als die Bäume am Aussichtspunkt „Cloef“ zurückweichen und den Blick auf dieses bezaubernde Naturwunder freigeben. Tief unter meinen staubigen Stiefeln liegt die markante Saarschleife, das Wahrzeichen des Saarlandes. Mit dem befriedigenden Gefühl, mir wieder einmal einen Wunsch erfüllt zu haben, verlasse ich den gut besuchten Balkon und presche durch das Naturschutzgebiet Bärenfels ins Dreiländereck. Im Luxemburgischen Städtchen Schengen wurde im Juni 1985 das historische europäische Schengener Abkommen unterzeichnet und ermöglicht seitdem Grenzwechsel ohne lästige Ausweiskontrolle. Mit der Mosel lasse ich mich nach Nennig treiben. Durch Zufall wurde dort Mitte des 19. Jahrhunderts eine ehemalige Römer-Villa entdeckt, deren reiche Mosaikarbeiten Auskunft über die hohe Kultur des antiken Roms geben. Deutlich jünger und wesentlich besser erhalten ist das benachbarte Renaissance-Schloss Berg. Der sanft gewellte Saargau hat zwischen Perl im Süden und Konz im Norden deutlich mehr zu bieten, als langweilige Bundesstraßen. In Sinz beginnt eine ehrliche Chaussee, die mir bis Saarburg Wiesen, Wäldchen und Dörfer vor die Räder wirft. Im Zentrum des von einer mittelalterlichen Wehrmauer umfassten Ortes stürzt das Wasser des Leukbachs eindrucksvoll 20 Meter in die Saar hinab. Kaum habe ich aus den engen Gassen der alten Winzerstadt hinausgefunden, quere ich den Flusslauf, um vom gegenüberliegenden Ufer die malerische Skyline zu bewundern. Auch die B 51 kann begeistern! Sie klebt geradezu an den weiten Saarserpentinen, lässt ein moderates Tempo zu, schickt mich durch die Kleine Saarschleife bei Hamm und zeigt bis Mettlach großes Landschaftskino. Und nun das Sahnehäubchen! Am Werk des Porzellanherstellers Villeroy & Boch wartet die reizvolle Eichenlaubstraße auf mich. Ein Feuerwerk unterschiedlichster Kurven begleitet meinen Aufstieg in den Schwarzwälder Hochwald, dessen Höhenlagen bis kurz vor Nohfelden weder mit Fahrspaß noch mit Ausblicken geizen.

Saarschleife

Muss man einfach gesehen haben: Ein kurzer Waldspaziergang führt zur Saarschleife bei Orscholz, dem Wahrzeichen des Saarlandes.

Fallert Achern Team

Fern jeglicher Hektik: Ungetrübter Fahrspaß in den Weinbergen der Nahe zwischen Staudernheim und Bad Münster.

Im kleinen Weiler Türkismühle treffe ich auf die noch junge Nahe, die südwestlich des unweit gelegenen Bostalsees ihre Quelle hat. Kaum habe ich die äußerst kurzweilige Eichenlaubstraße verlassen, treibe ich meinen Bayern-Boxer wieselflink aus dem äußersten Zipfel des Naturparks Saar-Hunsrück hinaus nach Thallichtenberg. Während des Abendessens im Hotel setzt die Dämmerung ein, starke Scheinwerfer flammen auf und illuminieren die Burg Lichtenberg stimmungsvoll. Als dann beim Absacker der Mond über dem betagten Gemäuer leuchtet, heißt es für mich: Gute Nacht!

Reiseinfos

Streckenlänge: 450 Kilometer
Reisedauer: Zwei Tage
Unterkunft: Hotel-Restaurant Burgblick. Endlich hat das liebevoll geführte Burgblick den dritten, längst überfälligen Dehoga-Stern erhalten. Ruhige Lage, behagliche Zimmer, schmackhafte Küche und familiäre Atmosphäre hinterlassen einen überaus positiven Eindruck. Vom Super-Frühstück schwärmt man noch lange. Kartenmaterial, Unterstellplätze und WLAN sind kostenlose Selbstverständlichkeiten. Von hier aus sind auch tolle Fahrten in den Hunsrück und den Pfälzerwald möglich.
➜ Ringstraße 6 • 66871 Thallichtenberg • Tel. 06381 – 92770 • www.hotel-burgblick.de
Anreise: Die Autobahn A 1 verläuft mittig durch das Tourengebiet, von ihr zweigt die B 62 ab, über die Abfahrt Reichweiler lässt sich das Hotel bequem erreichen.
Informationen:
➜ Naheland-Touristik GmbH • Bahnhofstraße 37 • 55606 Kirn/Nahe • www.naheland.net
➜ Tourismus Zentrale Saarland GmbH • Trierer Straße 10 • 66111 Saarbrücken •  www.urlaub.saarland

Text und Fotos: Frank Sachau