Jochen Ehlers von ENDUROFUN Tours, der seit 35 Jahren begeisterter Yamaha TT350-Fahrer ist, hat sich die Zeit genommen, mir viele Informationen über dieses Motorrad und die Restaurierung einer seiner TTs zu geben. Yamaha hat in den 80er Jahren mit der TT 350 ein völlig eigenständiges Motorrad entwickelt, das sich in den meisten Teilen von der XT350 komplett unterscheidet und sich als ideale und zuverlässige Sportenduro bewährt hat. Mitte der 80er Jahre wurde die TT auch für den Sport eingesetzt und lief bei deutschen und Europameisterschaften. Manfred Straubel aus Hameln ist mit der TT350 mehrfacher europäischer Meister geworden.
Das Fahrwerk
Der Rahmen war ein Spezialrahmen aus dünnwandigem Chrom-Molybdän-Stahl, der die Korrosionsbeständigkeit gegenüber herkömmlichen Stahlrahmen verbessert und das Gewicht auf etwa 10 kg verringert, in der Praxis bewährt hat und auch schweres Gelände wegsteckt. Die Original-Gabel hat einen deutlich höheren Federweg als die der XT350. Genau so ist auch das hintere Federbein eigens für dieses Motorrad entwickelt worden. Ein Ausgleichsbehälter mit einer Öl-Stickstoff-Füllung sorgt für Kühlung. Die Gabel, die hier eingesetzt worden ist, ist von Bert von Zitzewitz gemeinsam mit der Firma MDS (Müller-Dämpfungs-Systeme) entwickelt worden. In den 80er Jahren war die Entwicklung dieser reinen Luftgabel, die über verschiedene Dichtungssysteme abdichtet, bahnbrechend. Sie ist 2-3 kg leichter als eine klassische Federgabel. Erst in den letzten Jahren setzten die japanischen Hersteller wieder ähnliche Gabeln in ihre neuen Motorräder ein. Außerdem hat die TT350 eine Aluminiumschwinge, die länger als die Stahlschwinge der XT350 ist, und hochwertige Motocross-Felgen. Die Doppelkolben-Bremsanlage der TT entspricht der der YZ 250. Die TT hat eine einstellbare Trommelbremse mit einer hohen Bremsleistung im Hinterrad. Außerdem sind hier Stahlflexbremsleitungen verbaut. Das gesamte Motorrad ist deutlich leichter als die XT350, ist aber auch nur für eine Person zugelassen, anders als die XT, die wegen ihres Rahmens eine 2-Personen-Zulassung hat.
Sieht aus wie ein klassischer Scheunenfund.
Die Yamaha kann sich nach der Restaurierung absolut sehen lassen.
Der Motor
Der Motor ist dem der XT350 ähnlich. Das Getriebe hat eine andere Spreizung, es ist in den unteren Gängen kürzer übersetzt. Die Kurbelwelle ist gleich, ebenso die Kupplung, die Getriebewellen in der Fassung sind ähnlich. Die Ölpumpe, die auch gleich ist, wird aber von einem Metallrad angetrieben und nicht von einem Kunststoffrad wie bei der XT. Der Motor hat keinerlei Schwachstellen. Es ist aber sehr wichtig den Ölwechsel einzuhalten, weil das Ölvolumen nur 1,3 l beträgt. Auch sollte man das Schauglas gut im Auge behalten, da zwischen Minimum und Maximum gerade mal 100-200 ml liegen. Im Zylinderkopf sind die Ventile 1 mm größer und der Luftdurchsatz ist entsprechend höher. Der Motor kann unter extremen Bedingungen im sportlichen Einsatz sehr warm werden, da durch Lehm, Sand oder Schlamm die Kühlrippen verkleben. Dann kann der luftgekühlte Motor schon mal 130 bis 140 °C bekommen. In dieser TT 350 wurde der Ölkühler der XT 600 nachgerüstet mit einem speziellen Deckel, der relativ einfach auf das Luftfiltergehäuse aufgeschraubt werden kann. Dadurch hat sich die Ölmenge um ca. 100-150 ml erhöht, wodurch der Motor bei kälteren Temperaturen etwas länger braucht, um auf die Betriebstemperatur von ca. 100-110 °C zu kommen. Ein kleines Stück Pappe, dass man morgens vor den Ölfilter steckt, schafft Abhilfe. Der Graugusszylinder kann auf Übermaß geschliffen werden und mit einem Wiseco- oder Wössner-Kolben versehen werden. Die Pleuel werden allerdings knapp, wenn das obere Pleuel ausgelaufen ist, kann man es mit einer Bronzebuchse maßhaltig wieder einbringen, damit der originale Kolbenbolzen passt. In den 80er Jahren sind die meisten TT350-Motoren im sportlichen Bereich stark abgenutzt worden, so dass man heute keinen mehr bekommt. Man kann sich aber an Jochen Ehlers von ENDUROFUN Tours (www.endurofuntours.com) wenden: Die Firma Saggau-Motorrad-Technik in Berkenthin hat gerade einen kompletten TT350-Motor für ihn mit neuen Kolben und neuem Innenleben aufgebaut.
Die Schwachstellen
Eine der wenigen Schwachstellen ist der Rahmen: An der Auspufftopfhalterung ist es schon vermehrt zu Rissen im Rahmen gekommen. Außerdem wurde der Kabelbaum, der im Original nicht sehr komplex vorhanden war, etwas lieblos nachgerüstet, was manchmal zu Problemen führt.
Was sonst noch erwähnenswert ist
Im Gegensatz zur XT 350, die einen Trockenfilter hat, wurde in der TT 350 ein komplett anderes Luftfilterelement mit einem Schaumgummi-Nassfilter verbaut. Viele TT350-Fahrer haben die originale 6V-Anlage gegen die 12V-Lichtmaschine der XT getauscht, damit man neben dem Abblendlicht auch noch ohne Beeinträchtigung blinken oder hupen konnte. Im Unterschied zum Stahl-Blech-Tank der XT hat die TT einen Kunststofftank, der leider im Laufe der Zeit verbleicht. Es sind fast alle Kunststoffteile für sehr viel Geld noch bei Yamaha zu bekommen, außer der originalen Lampenmaske. In Deutschland wurde die TT mit der größeren und durch den Glasreflektor auch schwereren Lampenmaske der XT350 verkauft, mit der auch der deutsche TÜV einverstanden war. Mit viel Glück bekommt man auch noch alle Motorenteile. Aktuell steigt ihre Beliebtheit wieder, weil sie jetzt älter als 30 Jahre ist und somit im Klassik-Sportbereich eingesetzt werden kann. Unter 2.000 – 2.500 € bekommt man heute keine gut erhaltene TT 350 mehr.
Fazit
Alles in allem handelt es sich um relativ hochwertige japanische Großserienqualität ohne größere Schwachstellen. Es fehlen ihr 3-5 PS zu den anderen hochwertigen Sportenduros von beispielsweise Husaberg oder Husqvarna, die sie aber mit ihrer Zuverlässigkeit wieder ausgleicht. Wegen des hohen Preises wurden auch nicht viele verkauft.
Marina Becker