FREIBURG. Die Ankündigung des Bundesrates über Fahrverbote von Motorrädern an Sonn- und Feiertagen wegen Lärmbelästigung nachzudenken, sorgte bei der Motorradgemeinde für einen Aufschrei sondersgleichen. In ganz Deutschland folgten daraufhin organisierte Motorraddemonstrationen mit teilweise fünfstelligen Teilnehmerzahlen. So auch am 26. Juli in Südbaden. Werner Gebhard aus Herbolzheim, der Initiator dieser Demo, holte mit mir und Uwe Schilling aus Kehl zwei Organisatoren mit ins Boot. Die durchaus zeitraubende und aufregende Organisation konnte beginnen: Bewerbung der Demofahrt, Kommunikation mit der Polizei, Strecke festlegen, unzählige Mails beantworten, Streckenposten organisieren… das war unsere Aufgabe bis zum Start am 26. Juli.
Vier Redner haben sich angekündigt, der SWR und die örtliche Presse waren ebenfalls vor Ort, wenngleich die berichterstattung des SWR und der hiesigen Presse mager bis oberflächlich ausfiel. Gerade die hiesige Presse hat tief in die Klischeekiste gegriffen, was wir sehr bedauern. Die Demo richtete sich in erster Linie mit einem Appell an Politik und Motorradindustrie, sich der Lärmproblematik bei Motorrädern anzunehmen. Ein pauschales Fahrverbot löst die Problematik der Lärmbelastung nicht wirklich. Wenn ich mir heute ein Motorrad kaufe, welches ein Standgeräusch von 103 dB aufweist, dann darf ich das fahren – das Kraftfahrbundesamt hat ja das Fahrzeug zugelassen. Somit wäre ich mit diesem Motorrad legal auf deutschen Straßen unterwegs. Wobei das Standgeräusch (in Fahrzeugschein unter U.1 eingetragen) nur bedingt angibt, wie laut mein Motorrad wirklich ist. Ich kann ein vermeintlich „leises“ Motorrad auch „laut“ fahren, in dem ich jeden Gang voll ausfahre und die Drehzahl in den fünfstelligen Bereich jage. Anders herum kann ich ein vermeintlich „lautes“ Motorrad auch „leise“ fahren, in dem ich große Gänge fahre und die Drehzahl auf niedrigem Niveau halte.
Fakt ist, dass das Prinzip „Höher – Schneller – Weiter“ in den letzten Jahren sowohl bei Motorrädern als auch bei Autos immer mehr gelebt wird. Den Motoren wird immer mehr Hubraum und Leistung verpasst; die Fahrzeug werden eher lauter als leiser – da stehen sich die leistungsstarken Autos und Motorräder in nichts nach. Da fragt man sich schon, wann das Ende der Fahnenstange erreicht sein wird? Letzlich kann und darf man so eine exorbitante Leistung legal auf der Straße gar nicht mehr überall abrufen. Zur ganzen Thematik gesellt sich auch noch die Problematik der Klappenauspuffe hinzu. Diese lärmerzeugende Technologie sollte zukünftig verboten werden – und zwar bei allen Kraftfahrzeugen. Manipulationen am Auspuff müssen viel strenger geahndet werden.
Die Entwicklung mobiler Messgeräte, die die Lärmemission beim Vorbeifahren – ähnlich eines Geschwindigkeitsblitzers – messen, muss vorangetrieben werden.
Wir verstehen die Anwohner an beliebten, kurvenreichen Strecken, die vom Lärm genervt sind – eine Stigmatisierung der Motorradfahrer kann und darf aber nicht stattfinden. Selbstverständlich gibt es schwarze Schafe, die sich einen Dreck darum scheren, wie es lärmgeplagten Anwohnern geht. Die gibt es aber nicht nur bei uns Motorradfahrern!
Ein Lösung des Lärmproblems kann nur im Dialog und mit der Zusammenarbeit mit Politik und Industrie erfolgen. Die Problematik muss an der Wurzel und nicht an den Auswüchsen gepackt werden.
Als absolut nicht hinnehmbare Aktion eines renitenten Motorradhassers sei hier die Manipulation der geplanten Strecke für die Demo genannt. Ursprünglich sollte die Strecke der Demofahrt durch den Kaiserstuhl und das Bleichtal führen. Im Bleichtal wurden in den frühen Morgenstunden Nägel und Schrauben auf der Strecke verteilt, um vorsätzlich Stürze und Unfälle zu provozieren. Nach Rücksprache mit der Polizei wurde die Strecke umgeplant. Nicht auszudenken, zu welch schweren Unfälle dies hätte führen können – vor allen Dingen wenn man bedenkt, dass in erster Linie die vorausfahrende Polizeieskorte als erstes davon betroffen gewesen wäre.
So führte uns die Strecke von der Neuen Messe in Freiburg über Emmendingen auf der Bundesstraße 3 bis zum ersten Kreisel vor Kenzingen und von dort wieder zurück zur Neuen Messe. Durch die knapp 2.000 Teilnehmenden entstand ein 9 km langer Korso. Neuralgische Stellen wie Kreuzungen und Ampeln wurden von der Polizei und unseren vielen Ordnern gesichert. Herzlichen Dank an die Polizei und an alle Ordner für ihren Beitrag zum reibungslosen Ablauf!
„Zieleinlauf“ des 9 km langen Korsos bei der Neuen Messe in Freiburg.
Redner waren sich einig
Die Redner vor dem Start der Demofahrt, die über die Problematik Fahrverbote und Lärm referierten waren im übrigen Peter Weiß (CDU, MdB), Dr. Christian Jung (FDP, MdB), Bernd Obrecht (Kuhle Wampe e.V.) und Clemens Bieniger (Vorsitzender des ADAC Südbaden). Der Tenor war bei allen der gleiche: keine Fahrverbote für uns Motorradfahrer in welcher Form auch immer. Die Zusammenarbeit von Politik und Industrie sowie die Ausarbeitung von Lösungen wird gefordert. In nächster Zeit werden wir selbst mehrere konstruktive Gespräche mit Ortsvorstehern und Bürgermeisten diverser Gemeinden führen, um Vorschläge zur Lösung des Problems zu erarbeiten. Letzlich kann aber jeder einzelne von uns dazu beitragen, dass die Lärmemission weniger wird und vereinzelte Fahrverbote damit abwenden: gerade in bewohnten Gebieten mit niedriger Drehzahl fahren und am Ortsausgangschild gemäßigt beschleunigen.
Spendenaktion für MEHRSi
Auf die Motorraddemo quasi draufgesetzt haben wir eine Spendenaktion für MEHRSi. MEHRSi setzt sich für die Anbringung von Unterfahrschutz an Leitplanken ein. Der Unterfahrschutz von MEHRSi ist ein besonderer: er gibt beim Aufprall nach und kann dadurch schwere Verletzungen, gerade bei den Gliedmaßen, minimieren. Monika Schwill, Geschäftsführerin von MEHRSi, informierte gewohnt sympathisch vor der Abfahrt die Teilnehmenden über den Unterfahrschutz Bei der anschließenden Spendensammlung kamen aufgerundet 1.800 EUR zusammen. An dieser Stelle nochmals vielen Dank an die edlen Spender. Wir und Monika sind begeistert.
Puh, geschafft! Orgateam, Ordner und MEHRSi nach der erfolgreichen Demo im Gruppenbild vereint.
Viele Videos gibt es bei Youtube unter dem Suchbefehl „Motorraddemo Freiburg“ zu sehen – dort auch ein ausführliches Interview von Peter Umstetter (Schwarzwald TV) mit dem Orgateam.
Auf der bmm-facebookseite gibt’s noch mehr Bilder und ein schönes Video.
facebook.com/bmmmagazin
Text: Guido Schmidt, Fotos: Ulla Bornmann als Sozia auf dem Pressemotorrad &
Guido Schmidt
Bernd Obrecht von der Kuhle Wampe e.V. mit klaren Forderungen an Politik und Industrie.
Monika Schwill von MEHRSi stellt den überlebenswichtigen Unterfahrschutz vor.